Klimawandel: doppelte Belastung für die Versicherer
Die Deutsche Aktuarvereinigung warnt vor erheblichen Risiken für Versicherer durch Extremwetter und neuen Herausforderungen bei der Kapitalanlage.
Schwere Herbststürme, Starkregen, Überschwemmungen: Extreme Wetterphänomene, die Folge des Klimawandels sind, treten auch in Deutschland immer häufiger auf. Entsprechend steigen die finanziellen Risiken für die Erst- und Rückversicherer deutlich, warnt die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV). In der Branche sind die Gefahren jedenfalls erkannt. Die Naturgefahren Sturm, Hagel, Starkregen und Überschwemmung werden in den Modellen der Versicherungsmathematiker inzwischen spartenübergreifend als Risikofaktoren betrachtet.
Politik verantwortlich für Hochwasserschäden
Das hat einen guten Grund: „Diese sogenannten Kumulrisiken können langfristig dazu führen, dass die derzeit überschaubaren Hochrisikoregionen in ihrer Größe und Anzahl zunehmen und die Frage ihrer privatwirtschaftlichen Versicherbarkeit stärker in den Mittelpunkt rückt “, sagt DAV-Präsident Dr. Guido Bader – und fordert von der Politik bessere Prävention. So sollten zum Beispiel keine Neubaugebiete mehr ausgewiesen werden, die nachweislich besonders hochwassergefährdet sind. „Leider ist dies in den vergangenen Jahren noch viel zu häufig geschehen, sodass es zum Beispiel 2002 und 2013 durch Hochwasser von Elbe und Donau erhebliche – teils vermeidbare – Versicherungsschäden gegeben hat“, sagt Bader.
Mit künstlicher Intelligenz Risiken besser einschätzen
Zur besseren Risikobewertung setzen Erst- und Rückversicherern seit einigen Jahren immer häufiger auf interdisziplinäre Teams, die etwa mithilfe der Verknüpfung von aktuariellen Modellen mit Data-Science-, KI-Anwendungen und Klima-Projektionen neue Modelle entwickeln. „So lassen sich Risiken noch genauer analysieren und kalkulieren. Dadurch besteht die Möglichkeit, Schadenschwerpunkte, Schadenmuster und Entwicklungstendenzen frühzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu initiieren“, sagt DAV-Präsident Bader.
Blasenbildung bei grünen Investments verhindern
Jenseits dieser versicherungstechnischen Risikolandschaft stellt der Klimawandel die Versicherer aber auch bei der Kapitalanlage vor große Herausforderungen. Einer immer größer werdenden Nachfrage stehe ein bisher noch zu beschränktes Angebot an nachhaltigen Anlagemöglichkeiten gegenüber. „Der erste deutsche Green Bond war trotz Negativzinssatz mehrfach überzeichnet“ sagt Bader. Auch die Nachfrage bei renditestärkeren grünen Infrastruktur- oder Energieprojekten übersteige das Angebot deutlich. Der DAV-Präsident warnt deshalb vor einer Blasenbildung bei „Green Investments“, die langfristig die Finanzmarktstabilität gefährden könnte.
DAB fordert staatliche Garantie für nachhaltige Investments
Nach DAV-Analysen würde die Gefahr sogar noch verstärkt, wenn bei Eigenkapitalvorschriften für nachhaltige Kapitalanlagen ungerechtfertigt geringere Risiken als bei konventionellen Investments unterstellt würden. Diese vielfach geäußerte politische Forderung widerspreche dem Solvency-II-Prinzip „Same Risk, Same Capital“, das ein Eckpfeiler des europäischen Aufsichtsregimes für die Versicherungsbranche ist. Wenn der Staat grüne Investments fördern will, so Bader, könnte er für diese staatliche Garantien aussprechen und damit real die Kapitalanlagerisiken reduzieren, ohne das System zu verbiegen.