04.07.2022 Branche

Kommunikation mit Versicherten: Wer trifft den richtigen Ton?

Versicherungskunden bevorzugen laut einer Studie von Sirius Campus vielfach nach wie vor das „Sie“ in der Kommunikation, vor allem im Beratungsgespräch. Und eine größere Gruppe, insbesondere die Älteren, ärgern sich darüber, wenn die Branche gendert.

Unterschiedliche Zielgruppen, unterschiedliche Kanäle: Kundenkommunikation erweist sich auch für die Versicherungsbranche als zunehmend komplex. (Foto: © rh2010 - stock.adobe.com)
Unterschiedliche Zielgruppen, unterschiedliche Kanäle: Kundenkommunikation erweist sich auch für die Versicherungsbranche als zunehmend komplex.
(Foto: © rh2010 - stock.adobe.com)

„Wohnst du noch oder lebst du schon?" wurde einer der bekanntesten Werbesprüche Deutschlands. Ikea hat das „Du“ in der Kundenansprache zur Selbstverständlichkeit erhoben. Hier war die Argumentation leicht, denn im Heimatland des Unternehmens, Schweden, ist es seit den 1960er-Jahren Usus, dass sich alle in der Gesellschaft duzen. Und auch die deutschen Kunden haben sich längst daran gewöhnt. 

Branche sucht ihren Weg in der Kundenansprache

 

Moderne Zeiten: Mittlerweile bekommen ganze Konzerne das „Du“ aus der Vorstandsetage verordnet. Doch was intern gilt und womöglich funktioniert, muss auch die Akzeptanz des Kunden finden. Hinzu kommt die andauernde Debatte über die angemessene Ansprache beider Geschlechter, also das Thema Gendern. Duzen oder Siezen, Gendern oder Nicht-Gendern oder sogar eine Mischung aus allem? Auch die Versicherungsbranche mit ihrem eher konservativen Image sucht hier nach dem richtigen Ton. Dass es den einen Königsweg dabei nicht gibt, legt eine Teilveröffentlichung der Untersuchung „Versicherungskommunikation heute“ des Beratungsunternehmens Sirius Campus nahe. Die Ergebnisse auf Basis einer Online-Befragung zeigen die insgesamt sehr uneinheitlichen Erwartungen der Kunden, die für das vermeintlich moderne Duzen und Gendern eher wenig Begeisterung aufbringen.

Im persönlichen Beratungsgespräch möchten die meisten nicht geduzt werden

 

So sprechen sich in der persönlichen Beratung mit einem Vermittler lediglich 17 Prozent für das Duzen aus, demgegenüber stehen 53 Prozent, die in der Versicherungsberatung gesiezt werden möchten. Auch auf Social Media oder in Werbung, wo Unternehmen ihre Kunden immer häufiger mit „Du“ statt mit „Sie“ ansprechen, finden lediglich 17 Prozent das Duzen gut. Auffällig ist hier, wie viele Befragte mit „nicht schön – aber stört auch nicht“ oder „ist mir egal“ antworten. Ein Indiz dafür, dass das Thema für Kunden keine zentrale Rolle spielt, was natürlich den Wert der Untersuchung relativiert. Tatsächlich ärgern sich denn auch nur 21 Prozent darüber, von Unternehmen geduzt zu werden. Online-Kunden sprechen sich noch am ehesten für das Duzen aus (22 Prozent), Maklerkunden hingegen, die im Vergleich zu Vertreter- und Bankkundeninnen und -kunden laut Sirius Campus digital besser aufgestellt sind, sehen das Duzen nur zu neun Prozent positiv.

Gendern stört vor allem die Älteren

 

Das Thema Gendern polarisiert dafür etwas stärker. Auch wenn nur zwölf Prozent Gendern explizit gut finden und sich eine Mehrheit von 57 Prozent daran nicht stört, sagen immerhin 39 Prozent, dass Gendern für sie ein echtes Ärgernis ist. Allerdings zeigen sich in dieser Frage starke Alterseffekte: Bei den bis 30-Jährigen sind es sogar 78 Prozent, die das Gendern grundsätzlich nicht stört, bei den über 55-Jährigen hingegen ärgert sich jeder Zweite (51 Prozent), wenn gegendert wird.

Es kommt laut offenbar auch darauf an, auf welche Weise letztlich gegendert wird. Die beliebtesten Varianten der Ansprache sind demnach die Nennung beider Geschlechter, also z. B. „Versicherungsnehmer und Versicherungsnehmerinnen“ (Gesamtakzeptanz: 81 Prozent), das generische Maskulinum „Versicherungsnehmer“ (76 Prozent) sowie die geschlechtsneutrale Formulierung „Versicherungsnehmende“ (75 Prozent). Besonders in den sozialen Netzwerken von Versicherern werde die Nennung beider Geschlechter für angemessen gehalten. Bei keiner der betrachteten Gender-Varianten liegt der Anteil der Verärgerten höher als 35 Prozent.

Ansprache muss zielgruppenorientierter werden

 

Grundsätzlich gilt aber: Eine pauschale Empfehlung, wie Kunden angesprochen werden sollten kann Sirius Campus nicht geben. Vielmehr unterscheiden die Studienmacher vor allem nach Altersgruppen: So würden die Jüngeren (bis 30 Jahre) sowohl dem Duzen als auch dem Gendern in der Kundenansprache tendenziell positiv gegenüberstehen. Die mittlere Altersgruppe (31 bis 55 Jahre) befürworte das Duzen prinzipiell, habe aber gegenüber dem Gendern Vorbehalt. Die Älteren (über 55 Jahre) lehnten jedoch sowohl Gendern als auch Duzen vielfach ab. „Die Befragung zeigt, dass Versicherer hinsichtlich Kommunikationsweg, Anrede und Sprache noch zielgruppenorientierter vorgehen müssen, wenn sie ihre Kunden erreichen wollen. Was nutzen Online-Kundenportale, wenn sie nur von Wenigen genutzt werden? Digitalisierung ist auf dem Vormarsch, aber bei Weitem noch nicht überall angekommen“, sagt Martin Gattung, Gründer und Geschäftsführer der Aeiforia GmbH, dessen Unternehmen an der Untersuchung mitgewirkt hat.

Skepsis gegenüber Versicherungsthemen auf Social Media nimmt zu

 

Ein weiteres Thema der Befragung: Die Nutzung von sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram und Twitter seitens der Versicherungsgesellschaften. Die spontanen Reaktionen der Privatkunden sind hier eher negativ und haben sich zuletzt sogar verschlechtert. Selbst unter den jüngeren Nutzern sozialer Netzwerke hält über die Hälfte Versicherungsthemen dort für fehl am Platz (58 Prozent). Deutlich stärker ist die Ablehnung unter den 30- bis 55-Jährigen: 69 Prozent dieser Altersgruppe schließen sich dem negativen Urteil an, zwei Jahre zuvor waren es nur 53 Prozent. 

Lediglich 13 Prozent haben im Jahr 2022 konkret auf den Online-Plattformen nach Versicherungsinformationen gesucht. Selbst von den reinen Online-Versicherungskunden sehen bloß 14 Prozent die sozialen Netzwerke als Informationsmedium für Versicherungen an. Jedoch habe Sirius Campus in einer non-reaktiven Werbewirkungsmessung ermitteln können, dass Kfz-Versicherungswerbung über die sozialen Medien durchaus wirksam sein kann. „Die Ablehnung von sozialen Medien bezieht sich deswegen nur auf die aktive Suche, verhindert jedoch nicht die Wirkung von Werbung“, sagt Christoph Müller, Gründer und Geschäftsführer der Sirius Campus GmbH.

Kundenmonitor Assekuranz: „Versicherungskommunikation heute“

Die 98-seitige Untersuchung „Versicherungskommunikation heute“ beleuchtet eines von vier Schwerpunktthemen aus der Studienreihe „Kundenmonitor Assekuranz 2022“ der Sirius Campus GmbH aus Köln. Der Bericht entstand in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Aeiforia. Zwischen dem 1. und 20. April 2022 wurden dafür vom Marktforschungsunternehmen YouGov 2046 Personen zwischen 18 und 69 Jahren zu ihren Erwartungen und Einstellungen als Versicherungskunden beim Thema Kommunikation online befragt.


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