01.08.2022 Branche

Munich Re rechnet mit schlimmen Stürmen

Häufiger und heftiger: Die Experten der Munich Re rechnen in diesem Jahr mit mehr Tropenstürmen über dem Nordatlantik als üblich. Dabei war bereits das erste Halbjahr von Wetterkatstrophen in aller Welt geprägt — nach Ansicht der Wissenschaftler des Unternehmens eine Folge des Klimawandels.

Das Wetterphänomen „La Niña“ könnte im Spätsommer die Entstehung von Hurricanes begünstigen. (Foto: © Tryfonov - stock.adobe.com)
Das Wetterphänomen „La Niña“ könnte im Spätsommer die Entstehung von Hurricanes begünstigen.
(Foto: © Tryfonov - stock.adobe.com)

Zwar haben nach Auswertungen des weltgrößten Rückversicherers Munich Re Naturkatastrophen im ersten Halbjahr 2022 weltweit geringere Schäden angerichtet als im Vergleichszeitraum 2021. Allerdings rechnet der Versicherer mit einer besonders schadenträchtigen Hurrikan-Saison in der zweiten Jahreshälfte. Überflutungen, Erdbeben und Stürme verursachten zwischen Januar und Juni demnach bisher einen Gesamtschaden von etwa 65 Milliarden US-Dollar – nach 105 Milliarden im Vorjahr. Die versicherten Schäden lagen mit etwa 34 Milliarden Dollar im Rahmen der vergangenen Jahre.

Australien: teuerste versicherte Katastrophe



Im dortigen Spätsommer/Frühherbst kam es im Osten Australiens zu extremen Regenfällen und Überschwemmungen, die Schäden in Höhe von 6,6 Milliarden US-Dollar verursachten. Die letzte Februarwoche war die niederschlagreichste Woche seit 1900. Die vorläufigen Kosten für die Versicherungswirtschaft werden derzeit auf 3,7 Milliarden Dollar geschätzt. Auch andere Länder in der Region Asien-Pazifik waren von schweren Katastrophen betroffen. Insgesamt entfielen 22 Milliarden Dollar der Gesamtschäden aus Naturkatastrophen im ersten Halbjahr auf diese Region – mehr als üblich. Acht Milliarden davon waren laut Munich Re versichert.


Großteil der versicherten Schäden in den USA



Auf die USA entfiel im ersten Halbjahr mit rund 28 Milliarden Dollar fast die Hälfte der Gesamtschäden und mit 19 Milliarden knapp zwei Drittel der versicherten Schäden. Serien von Schwergewittern mit Tornados waren dafür die Hauptursache. Allein eine Gewitterfront Anfang April mit zahlreichen Tornados zerstörte Werte von mehr als drei Milliarden Dollar, davon waren mehr als drei Viertel versichert – laut Munich Re ein Beispiel für die Abmilderung ökonomischer Schocks bei hoher Versicherungsdichte. Stürme fegten vor allem im Februar teilweise mit Orkangeschwindigkeiten über den Nordwesten Europas und das nördliche Mitteleuropa hinweg. Irland, England, Teile Belgiens, die Niederlande und der Norden Deutschlands sowie Gebiete um die Ostsee waren besonders betroffen. Die Folge: Ein Gesamtschaden von 5,2 Milliarden Dollar.


Wetterphänomene als Hauptursache



„Die Naturkatastrophen-Bilanz des ersten Halbjahres ist von Wetterkatastrophen geprägt. In den USA zerstörten extreme Tornados Milliardenwerte, Teile der Ostküste Australiens versanken in Fluten und im Süden Europas herrschten Hitze, Waldbrände und Dürre", sagt Munich-Re-Vorstand Torsten Jeworrek. Der vor wenigen Monaten veröffentlichte Bericht des Weltklimarats IPCC mahne eine Anpassung der Schadenmodelle der Versicherer an, um das sich ändernde Risiko adäquat zu bewerten. Schadenprävention ist laut Jeworrek ein zentraler Baustein, um die ökonomischen Folgen des Klimawandels abzumildern. Umso dramatischer sei es, dass die Versicherungsdurchdringung in Entwicklungs- und Schwellenländern bei weit unter zehn Prozent stagniert.


Pessimistischer Ausblick



Für die diesjährige Tropensturmsaison rechnet man bei Munich Re im Nordatlantik mit mehr Stürmen als üblich. Grund ist das natürliche Klimaphänomen El Niño/Southern Oscillation-Phänomen (ENSO) im Pazifik. Derzeit herrschen so genannte La Niña-Bedingungen, die im tropischen Nordatlantik die Bildung von Hurrikanes begünstigen. Führende Forschungsinstitute gehen davon aus, dass die derzeitigen La Niña-Bedingungen zur Hurrikansaison im September noch ausgeprägter werden könnten. Der Rückversicherer rechnet mit 18 (±3) tropischen Stürmen, acht (±2) Hurrikanes und vier (±2) schweren Hurrikanes. Prognosemodelle externer Institute lassen eine Sturmaktivität eher am oberen Ende der Spanne erwarten. 


Europa reißt 1,5 Grad-Ziel



Der menschengemachte Klimawandel hat bereits dazu geführt, dass die jährlichen Mitteltemperaturen in weiten Teilen Europas gegenüber dem Beginn der systematischen Aufzeichnungen am Ende des 19. Jahrhunderts um mehr als 1,5 Grad Celcius angestiegen sind – also mehr als der globale Mittelwert der Erwärmung von 1,2 Grad Celsius. Ernst Rauch, Leiter der sogenannten Climate Solutions-Einheit der Munich Re: „Aus ehemals warmen Tagen werden heiße Tage und aus ehemals heißen Tagen werden extreme Hitzetage. Direkte Folgen sind Dürren und Waldbrände. Es sind zwar alles einzelne Ereignisse mit unterschiedlichen Auslösern, aber in der Gesamtschau wird ziemlich deutlich: Die Macht des Klimawandels wird immer offensichtlicher.“


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