26.09.2022 Branche

Wo Versicherer beim telefonischen Kundenservice besser werden können

Die telefonische Kommunikation mit dem Versicherer hat durch die Corona-Pandemie offenbar wieder an Bedeutung gewonnen. Doch zu oft werden Kunden noch mit langen Wartezeiten und Bots konfrontiert, wo sie schnell einen kompetenten Ansprechpartner wünschen, zeigt eine Sirius-Campus-Studie.

Die Kommunikation per Telefon hat weiterhin eine hohe Bedeutung für die Kundenbeziehungen von Versicherern. (Foto: Piksel/Dreamstime.com)
Die Kommunikation per Telefon hat weiterhin eine hohe Bedeutung für die Kundenbeziehungen von Versicherern.
(Foto: Piksel/Dreamstime.com)

60 Prozent der Versicherungskunden rufen ihren Versicherer mindestens einmal im Jahr an, 38 Prozent sogar mehrfach – darunter viele Vertreter- und Direktkunden. Zahlen, die aus Sicht der Beratungsunternehmens Sirius Campus und Aeiforia die Relevanz einer zufriedenstellenden Anrufbearbeitung für den Erfolg eines Versicherers belegen. Die Studie „Telefonische Kommunikation“ will die Frage nach den Treibern der Anrufzufriedenheit und den Einflussmöglichkeiten der Versicherer beantworten.

Versicherer in Wahrheit kaum schlecher als andere Branchen

 

Die Erreichbarkeit ist laut Studie das wichtigste Kriterium beim telefonischen Service. 25 Prozent bewerten diese bei den Versicherungsgesellschaften insgesamt mit „sehr gut“ oder „ausgezeichnet“, 43 Prozent mit „gut“ und 20 Prozent mit „mittelmäßig“ oder „schlecht“. Bezogen auf die eigenen Versicherer zeigt sich eine knappe Mehrheit der Kunden (55 Prozent) zufrieden. „Zwar gibt es Branchen, die im direkten Vergleich noch schlechter abschneiden als die Assekuranz, z. B. Stromversorger und Mobilfunkanbieter. Doch darf dies nicht der Maßstab sein. Eher sollte man sich z. B. an den Krankenkassen orientieren, die im Ranking der untersuchten Branchen auf dem ersten Platz liegen“, sagt Christoph Müller, Geschäftsführer der Sirius Campus GmbH. Die Aussage überrascht bei genauer Betrachtung der Ergebnisse. Tatsächlich schneiden Krankenkassen allenfalls minimal besser ab als die Assekuranz. 30 Prozent bewerten die Leistung hier mit „sehr gut“ oder „ausgezeichnet“, aber sogar 23 Prozent sagen, dass sie nur „mittelmäßig“ oder „schlecht“ ist.

Anliegenbearbeitung am Telefon gelingt je nach Thema unterschiedlich gut

 

Die häufigsten Anlässe für Telefonanrufe beim Versicherer sind Vertragsfragen (30 Prozent) oder die Meldung von Schadenfällen (23 Prozent). Mit einer durchschnittlichen Anrufzufriedenheit von 59 Prozent können die Anbieter hier nicht völlig überzeugen. Spürbar positiver werden die Anrufe bewertet, wenn es um die Änderung von persönlichen Daten, um Vertragsänderungen oder die Informationen zu Versicherungsprodukten geht. Deutliche Schwächen sind hingegen bei der Anforderung von Bescheinigungen sowie der Annahme von Kundenbeschwerden zu verzeichnen. In letzterem Fall liegt die Unzufriedenheit („mittelmäßig“, „schlecht“) bei rund 50 Prozent.

Schnelligkeit versus Warteschleifen und Weiterleitung

 

Für 45 Prozent ist der entscheidende Grund, zum Telefonhörer zu greifen, die Erwartung, dass Ansprache und Rückmeldung besonders schnell gehen. Folgerichtig ist laut Studie auch die Anrufdauer einer der wichtigsten Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit der Kunden – mehrmalige Anrufversuche, inkompetente Ansprechpartner, Weiterleitungen oder Warteschleifen führenunweigerlich zu Unzufriedenheit.

Tatsächlich landeten 34 Prozent der Kunden in den vergangenen zwölf Monaten Zeit in der Telefonwarteschleife eines Versicherers. Dabei wird ein kurzer Verbleib von bis zu drei Minuten in der Regel toleriert. Bei sechs bis zehn Minuten Länge ist bereits jeder dritte Kunde unzufrieden. Dabei nervt anscheinend nicht nur das Warten selbst, auch die Gestaltung der Warteschleife wird mit zunehmender Dauer immer negativer beurteilt. Bei sechs bis zehn Minuten Wartezeit äußern sich 60 Prozent unzufrieden. Sind drei oder mehr Anrufe für ein Anliegen erforderlich, liegt die Unzufriedenheit bei 49 Prozent. Bei Weiterleitungen, bei denen eine einmalige von den Anrufern noch als unproblematisch angesehen wird, erreicht die Unzufriedenheit bei drei oder mehr Weiterleitungen bereits 69 Prozent.

Lösungsmöglichkeiten: Ansagen über die voraussichtliche Wartezeit in Minuten oder die Anzahl der Gespräche, die zuvor an der Reihe sind, könnten die Unzufriedenheit deutlich abmildern. Alternativ könnten Kunden so genannte „Premium“- oder „Fastlane“-Tarife angeboten werden, die eine sofortige Anrufannahme und einen persönlichen Gesprächspartner garantieren. Je nach Ausgestaltung wäre hierfür jeder fünfte Kunde zu gewinnen.

Sprachcomputer können helfen, Telefon bleibt aber unersetzlich



Ein weiterer potenzieller Störfaktor ist laut Umfrage der Einsatz von Sprachcomputern, auch wenn die Skepsis gegenüber einer computergesteuerten Anrufannahme im Vergleich zu den vergangenen Jahren leicht gesunken ist. Dies gilt allerdings nur, wenn es sich um simple Aufgaben handelt wie z.B. die Wohnadresse zu ändern. Immerhin 28 Prozent der Kunden waren von ihrem Telefonat mit einem Sprachcomputer begeistert („ausgezeichnet“ „sehr gut“). Bei komplexeren Anliegen telefonieren Kunden hingegen nach wie vor lieber mit einer realen Person. „Auch wenn Jüngere alternative Kontaktwege wie Websites und Kundenportale vorziehen, bleibt die Serviceleistung über das Telefon ein wesentlicher Faktor für die Zufriedenheit der Kunden. Hier sollten Versicherer weiter optimieren und die Bedeutung des persönlichen Kontakts nicht unterschätzen“, sagt Martin Gattung, Gründer und Geschäftsführer der Aeiforia GmbH.

Studie: Telefonische Kommunikation

Die Untersuchung „Telefonische Kommunikation“ aus dem „Kundenmonitor Assekuranz 2022“ des Kölner Beratungs- und Forschungsiunternehmens Sirius Campus erhebt Fakten zu tatsächlichen Anrufen bei Versicherern und leitet daraus konkrete Empfehlungen zur Gestaltung der Anrufannahme und -abwicklung ab. Dafür wurden im Mai 2022 online über 2000 sogenannte Entscheider und Mitentscheider (Privatpersonen) in Versicherungsangelegenheiten zwischen 18 und 69 Jahren befragt. Neben den generellen Einstellungen zur Telefonie allgemein und zur Versicherungstelefonie im Besonderen werden als Einflussfaktoren für die Zufriedenheit auch die Anlässe, der Ablauf, die Dauer, sowie die Zahl der Weiterverbindungen und die Arten der Identifizierung untersucht. Vertieft werden darüber hinaus die beiden Themen „Warteschleifen“ und „Computertelefonie“.


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