Chefaufseher der BaFin sieht bei KI keinen Handlungsbedarf
Für BaFin-Versicherungs-Chefaufseher Dr. Frank Grund bietet der Einsatz von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen für die Versicherer großes Potenzial. Trotz damit einhergehender wachsender Herausforderungen müsse das Aufsichtsregime allerdings nicht angepasst werden.
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen (ML) gewinnt für Versicherer zunehmend an Bedeutung. Etwaigen Forderungen, den Einsatz dieser Methoden besonders intensiv zu beaufsichtigen, tritt Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aber entgegen. Das bestehende Aufsichtsregime könne mit den Herausforderungen fertig werden, so Grund in einem Beitrag der April-Ausgabe des von der Behörde herausgegebenem „BaFin-Journals“.
KI und ML bieten Versicherern enormes Potenzial
Grund erklärt darin zunächst, dass die Versicherungsbranche die besten Voraussetzungen mitbringe, um in der neuen digitalen Datenwelt erfolgreich zu sein. Der Umgang mit Daten und Modellen gehöre für Versicherer seit langem zum Kerngeschäft. Und auch die Potenziale moderner Methoden der künstlichen Intelligenz bzw. des maschinellen Lernens seien vielen Unternehmen bekannt. KI und ML helfen, Preise risikoadäquat zu kalkulieren und Risiken präziser einzuschätzen. Auf der Kosten- und Vertriebsseite ließen sich Prozesse wie die automatisierte Schadenfallbearbeitung optimieren und neue „Cross- und Upselling“-Möglichkeiten erschließen.
Kernaufgabe der Aufsicht unverändert
Aber. „All diese Chancen, die Versicherer schon aus Eigeninteresse ergreifen (werden), ändern nichts an der Kernaufgabe der Aufsicht. Sie muss auch in der neuen digitalen (Daten-)Welt vor allem dafür sorgen, dass die Interessen der Versicherten und des Versicherungskollektivs gewahrt bleiben“, schreibt Grund in seinem Beitrag. Um dieses Ziel weiterhin zu erreichen, verfolge die BaFin den aus Ihrer Sicht bewährten risikosensitiven Aufsichtsansatz. KI- und ML-Methoden sollen „technologieneutral und risikoadäquat“ beaufsichtigt werden. Kurzum: Es soll sich nicht ändern.
Zusätzliche Anforderungen nur bei zusätzlichen Risiken
Grund spricht davon, dass pauschal und anhand unpräziser Definitionen von KI und ML eine vermeintliche Notwendigkeit konstruiert werde, den Einsatz dieser Methoden besonders intensiv zu beaufsichtigen. Leider äußert sich der BaFin-Chefaufseher an dieser Stelle nicht konkreter, von wem und an welcher Stelle solche Forderungen erhoben werden. Sie sind aus seiner Sicht in jedem Fall „nicht zielführend“.
Zusätzliche Anforderungen seien nur bei zusätzlichen Risiken sinnvoll. Deshalb seien allgemeine regulatorische Ansätze, welche die Methoden mit Hilfe einer abschließenden und zugleich relativ unbestimmten Liste von Algorithmen von klassischen Verfahren abgrenzen wollen, für den Versicherungssektor weder angemessen noch praktikabel. Sie brächten zudem erhebliche Rechtsunsicherheiten mit sich, was den Einsatz innovativer Technologien im Versicherungssektor sogar hemmen könnte, meint Grund. Stattdessen sei es sinnvoll, das bestehende regulatorische Instrumentarium auch auf KI und ML anzuwenden – und zwar risikoadäquat.
BaFin flexibel genug, neue Herausforderungen zu bewältigen
„Schon jetzt hat das geltende Regelwerk die notwendige Flexibilität, Finanzinnovationen auf Basis ihrer Eigenschaften risikoadäquat – und damit verhältnismäßig – zu erfassen. Natürlich ergeben sich neue Herausforderungen, etwa die hohe Flexibilität und teils hochfrequente Anpassungsfähigkeit von KI und ML-Methoden. Auch rücken Fragen der Datenqualität und Datengovernance noch stärker in den Fokus. Diese Fragen sollten vor allem mit Blick auf das konkrete Einsatzgebiet beantwortet werden“, schreibt der BaFin-Exekutivdirektor. Schon jetzt bewältige die BaFin mit ihrem technologieneutralen und risikobasierten Ansatz die Aufsicht über die komplexen mathematischen Verfahren der Versicherer. Grund: „Das macht uns zuversichtlich, auch für neue Entwicklungen gerüstet zu sein.“