31.12.2024 Recht | Ratgeber

Kein Kriegsausschluss bei Spätschäden

Eine Bombenentschärfung ist kein Krieg – auch nicht, wenn die Bombe explodiert. Der Kriegsausschluss findet deshalb keine Anwendung, wie ein Gericht nun erneut bestätigen musste.

Foto der Anwälte Jem Schyma und Raimund Mallmann und von der Düssel­dorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte (Foto: WILHELM Rechtsanwälte )
Experten-Duo: Jem Schyma (l.) und Raimund Mallmann von der Düssel­dorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte sind Profis im Versicherungsrecht: www.wilhelm-rae.de
(Foto: WILHELM Rechtsanwälte )

Der Fall.

Auf einer Großbaustelle stießen Bauarbeiter auf eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Bauträger ließ die Bombe nach gescheiterten Entschärfungsversuchen kontrolliert sprengen. Die Sprengung führte zu Schäden an umliegenden Gebäuden. Daraufhin meldete der Bauträger, der gleichzeitig Eigentümer des Grundstücks ist, den Schaden seinem Betriebshaftpflichtversicherer. Der Versicherer berief sich auf den sogenannten Kriegsausschluss und somit auf Leistungsfreiheit. Versicherungsansprüche seien danach wegen solcher Schäden ausgeschlossen, die nachweislich auf Kriegsereignissen beruhen. Der Bauträger zog vor Gericht.

Der Urteil.

Das Landgericht Frankfurt (Oder) stellte fest, dass hier kein Kriegsausschluss vorliegt, und gab insofern dem Versicherungsnehmer recht (Az. 15 O 203/23). Der Ausschluss von Kriegsschäden greife, wenn ein Ereignis für den Schaden ursächlich war, das so, wie es sich vollzogen hat, ohne den Krieg nicht eingetreten wäre. In zeitlicher Hinsicht sei die Kriegsklausel nach den Umständen auszulegen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages gegeben waren.

Mit zunehmender Dauer der Friedenszeit nach dem Zweiten Weltkrieg habe sich das durch den Kriegsausschluss umfasste Risiko stabilisiert. Dies könnten die Versicherer im Rahmen ihrer Prämien entsprechend einpreisen. Spätschäden durch unentdeckte Sprengladungen aus früheren Kriegen seien daher nach überwiegender Auffassung nicht von der Kriegsklausel umfasst. Mehrere Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkrieges liege keine erhöhte Risikolage mehr vor.

Das Gericht stellt klar: Der streitgegenständliche Versicherungsvertrag wurde zum 1. Januar 2020 geschlossen und somit zu einem Zeitpunkt, an dem mit Schäden im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr zu rechnen war.

Die Bewertung.

Der sogenannte Kriegsausschluss hat in jüngerer Vergangenheit (leider) sowohl unter dem Gesichtspunkt klassischer Kriegshandlungen als auch hinsichtlich staatlich beauftragter Cyber-Attacken wieder an Bedeutung gewonnen.

Das Landgericht Frankfurt (Oder) betonte nochmals, dass die Kriegsklausel in zeitlicher Hinsicht nicht unbeschränkt gilt. Der Kriegsausschluss ist vielmehr im Lichte der Risikolage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages auszulegen. Für Neuabschlüsse bedeutet dies jedoch umgekehrt, dass die derzeit wieder erhöhte Risikolage (beispielsweise Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine) im Rahmen der Prüfung des Kriegsausschlusses zu berücksichtigen ist und sein wird.


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