BGH erteilt Versicherern eine Absage
Neues aus der Rechtsschutzversicherung von unseren Anwaltsexperten Schyma und Krohn: Für den Versicherungsfall kommt es allein auf den Verstoß an, den der Versicherungsnehmer seinem Gegner vorwirft, nicht auf die Vorwürfe der Gegenseite. Was das Urteil für die Praxis bedeutet.
Die Ausgangslage.
Der BGH hat bereits vor einigen Jahren klargestellt, dass es für den Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung maßgeblich nur auf die Tatsachen ankomme, mit denen der Versicherungsnehmer sein Rechtsschutzbegehren begründet („Verstoß“).
Das Urteil.
In unserer letzten Kolumne haben wir uns bereits mit einem Urteil vom März auseinandergesetzt (Az. IV ZR 221/19). Darin entschied der BGH unter anderem, dass Versicherer ihre Kunden über die Unwirksamkeit einer Klausel informieren müssen. Der BGH erteilte damit Versicherern eine Absage, die sich durch geschickte Gestaltung ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen vor Zweckabschlüssen zu schützen versuchen.
Das Beispiel.
Am Beispiel eines fiktiven Kündigungsschutzprozesses bedeutet dies, dass der maßgebliche Verstoß die Kündigung durch den Arbeitgeber des Versicherungsnehmers (VN) ist. Auf die Vorwürfe der Gegenseite, beispielsweise der Kündigung zugrunde liegende Abmahnungen, komme es nicht an. Bisher formulierten Rechtsschutzversicherer ihre Bedingungen so, dass für die Bestimmung des Versicherungsfalls auch die Tatsachen zu berücksichtigen seien, die der Gegner vortrage. Eine solche Klausel lag auch dem aktuellen Urteil des BGH zugrunde, die den Versicherungsnehmer aber unangemessen benachteilige und daher unwirksam sei. Denn so habe es der Gegner in der Hand, dem VN den Rechtsschutz zu entziehen, indem er sich auf lange zurückliegende Verstöße berufe, die möglicherweise nicht mehr in versicherter Zeit lägen. Dies entspräche nicht dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers von einem Versicherungsfall.
Die Konsequenzen.
Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsschutzversicherer auf diese Rechtsprechung reagieren werden. Das Urteil ist für sie unerfreulich. Sie befürchten, dass die Rechtsprechung des BGH Zweckabschlüssen Tür und Tor öffnen könnte. Tatsächlich gibt es einige praxisrelevante Sachverhalte, in denen nach diesem Urteil nun Rechtsschutz besteht oder – anders als früher – noch während des Streits beschafft werden könnte. In unserem arbeitsrechtlichen Beispiel könnte
der VN noch nach der ersten Abmahnung durch seinen Arbeitgeber eine Rechtsschutzversicherung abschließen. Denn für den Zeitpunkt des Versicherungsfalls kommt es dann nur auf die vom Versicherungsnehmer vorgetragene Kündigung an. Im Mietverhältnis stellt nicht das Verhalten des Mieters, sondern erst die Kündigung durch den Vermieter den Verstoß dar. In der Berufsunfähigkeitsversicherung kommt es auf den ablehnenden Bescheid an und nicht mehr auf möglicherweise vorvertraglich falsch beantwortete Gesundheitsfragen.