Umstrittene Generalklausel: BGH bringt Klarheit
Können Versicherer pauschal die Einhaltung „aller gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften“ verlangen? Das war lange umstritten. Nun hat der Bundesgerichtshof Stellung genommen. Die VP-Experten Schyma und Mallmann erläutern, was das Urteil für Versicherte bedeutet.
Der Fall.
Ein Versicherungsnehmer (VN) forderte nach einem Brand, der Teile des Dachstuhls und der Fassade seines Gebäudes zerstörte, Leistungen von seiner Wohngebäudeversicherung. Das Feuer war an einem Pizzaofen ausgebrochen, den er an der Hausfassade errichtet und mit einer Holzkonstruktion ummantelt hatte. Nach einer Vorschusszahlung verweigerte der Versicherer (VR) weitere Zahlungen und verlangte schließlich auch den Vorschuss zurück. Begründung: Der VN habe Sicherheitsvorschriften vorsätzlich verletzt, indem er den Ofen betrieb, ohne ihn zuvor – wie von der Landesbauordnung vorgeschrieben – durch einen Schornsteinfeger abnehmen zu lassen.
Der Rechtsstreit.
Der VN verklagte daraufhin den Versicherer. Sein Argument: Die Klausel in den Versicherungsbedingungen (VGB 2014), die dem Versicherungsnehmer die Einhaltung „aller gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften“ auferlegt, sei intransparent und damit gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Aus der Klausel allein könne der Versicherungsnehmer nicht erkennen, wie er sich zu verhalten habe, um den Versicherungsschutz zu wahren. Dieser Argumentation folgte dann auch das OLG Celle (Az. U 259/21).
Das Urteil.
Der VR zog vor den Bundesgerichtshof (BGH). Die Karlsruher Richter hoben das Urteil auf (Az. IV ZR 350/22).
Die Klausel genüge den Anforderungen des Transparenzgebots und benachteilige den Versicherungsnehmer nicht unangemessen. Der durchschnittliche VN könne die Bedeutung und den Umfang der Sicherheitsvorschriften erkennen und verstehen, dass diese Vorschriften dem Schutz des versicherten Risikos dienen. Allgemein auf gesetzliche und behördliche Sicherheitsvorschriften zu verweisen, sei nicht intransparent.
Bei diesen Vorschriften handele es sich um rechtlich verbindliche Anordnungen, die den VN ohnehin treffen. Maßgeblich seien die zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls geltenden Vorschriften, so der BGH. Die Richter stellten aber auch klar, dass sich der Versicherer nicht auf jegliche Sicherheitsvorschriften berufen könne. Es komme lediglich auf solche an, die das versicherte Risiko schützen und von staatlicher Stelle erlassen sind. Das dürfte etwa Unfallverhütungsvorschriften, DIN-Normen oder herstellerseitige Wartungsempfehlungen ausschließen.
Die Bewertung.
Das BGH-Urteil stellt klar, dass Versicherer mit einer Generalklausel die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften verlangen können. Eine Nennung der konkreten Vorschriften ist nicht notwendig. Das Urteil unterstreicht, wie wichtig es für versicherte Unternehmen ist, alle für sie relevanten Sicherheitsvorschriften zu kennen, für die Einhaltung Sorge zu tragen und Maßnahmen wie Gerätewartungen stets zu dokumentieren.