Betriebsschließung wegen Corona: Neues Urteil stärkt Versicherer
Rückschlag für viele Unternehmen, die durch Corona ihren Betrieb schließen mussten und noch auf Leistungen aus ihrer Betriebsschließungsversicherung hoffen. In einem Eilverfahren vor dem OLG Hamm erwies sich die Auslegung des Wortlauts der Versicherungsbedingungen als entscheidend – zum Nachteil des Versicherten.
Das Oberlandesgericht Hamm (Az. 20 W 21/20) hat entschieden, dass eine Betriebsschließungsversicherung für Schäden infolge der coronabedingten Betriebsschließung nur dann einstehen muss, wenn Covid-19 und Sars-Cov-2 in den Versicherungsbedingungen als „versicherte“ Krankheiten und Krankheitserreger genannt sind. In dem verhandelten Fall hatte die Antragstellerin als Inhaberin einer Gaststätte mit dem beklagten Versicherer eine Betriebsschließungsversicherung geschlossen. Die Vertragsschließung erfolgte vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes angesichts der Corona-Pandemie am 23. Mai 2020 und auch vor der Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht vom 30. Januar 2020. Mit Blick auf die Schließung ihres Betriebs wegen des neuartigen Coronavirus verlangte die Klägerin mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nun einen Betrag von fast 27.000 Euro aus diesem Vertragsverhältnis. Nach einer Niederlage vor dem Landgericht Essen, hatte nun auch die sofortige Beschwerde der Antragstellerin im Eilverfahren vor dem OLG Hamm keinen Erfolg.
Aufzählung der Krankheiten abschließend
Nach Auffassung des OLG besteht insbesondere der von der Gastronomin geltend gemachte Anspruch auf Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung nicht. Die Aufzählung der „versicherten“ Krankheiten und Krankheitserreger in den vereinbarten Versicherungsbedingungen sei abschließend. Der Wortlaut „nur die im Folgenden aufgeführten (vgl. Paragraphen 6 und 7 Infektionsschutzgesetz)“ und die anschließende ausführliche Auflistung einer Vielzahl von Krankheiten und Erregern mache dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, dass der Versicherer nur für die benannten, vom Versicherer einschätzbaren Risiken einstehen wolle. Laut OLG sei dies eben nicht so zu verstehen, dass der Versicherer auch bei einer späteren Erweiterung des Gesetzes bzw. der Erreger-Liste Versicherungsschutz gewähren würde. „Dass der Versicherungsnehmer an einem umfassenden Versicherungsschutz interessiert ist, ist – selbstverständlich – richtig, vermag aber an dieser Auslegung nichts zu ändern“, heißt es weiter in dem Beschluss.
Rechtslage bleibt schwierig
Ende April hatte das Landgericht Mannheim ein vielbeachtetes erstes Urteil im Streit um Betriebsschließungen infolge des Coronavirus gefällt. Die Richter stützten die Rechtsauffassung, dass in vielen Fällen die Versicherer voll leisten müssen, wenn ein Betreiber seinen Betrieb infolge der Covid-19-Vorsichtsmaßnahmen schließen musste (Az. 11 O 66/20). Der aktuelle Beschluss geht nun in eine andere Richtung. Allerdings beurteilt Versicherungsexperte und Rechtsanwalt Tobias Strübing von der Berliner Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte seine Bedeutung nur als gering. Die in dem Fall zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen entsprächen nicht dem Standard der meisten Verträge. Es fehle der direkte Bezug zum Infektionsschutzgesetz und seiner dynamischen Auslegung. „Der Beschluss ist sehr knapp begründet, aber auf den ersten Blick nachvollziehbar. Allerdings erfolgt keine Auseinandersetzung damit, ob die Beschränkung nicht möglicherweise den Vertragszweck gefährdet und deswegen unwirksam sein könnte. Das ist gegenwärtig noch umstritten.“ Strübing sieht in Fällen, in denen der Versicherungsvertrag – anders als im konkreten OLG-Fall – keine abschließende Aufzählung von Krankheiten oder Erregern beinhaltet, weiterhin gute Chancen für Betroffene im Fall einer juristischen Auseinandersetzung mit den Versicherern, die Leistungen aus der Betriebsschießungsversicherung verweigern. Der jetzige Beschluss dürfte also nicht das Ende des Streits sein.