D&O-Versicherung muss PR-Kosten von Ex-Wirecard-Chef zahlen
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Wirecard, Markus Braun, ist Objekt negativer Berichterstattung in den Medien. Auch wenn sein Ruf nicht mehr zu retten sein dürfte – PR-Kosten zur Abwehr von Reputationsschäden im Zuge des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen ihn muss die Managerhaftpflicht übernehmen. Das entschied das OLG Frankfurt.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az.: 7 U 150/21) hat eine Entscheidung aus dem November bestätigt, in der es um die D&O-Deckung (Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung) für den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Wirecard AG, Markus Braun, ging. Die Versicherer unter Führung von Chubb müssen demnach auch Public-Relations-Kosten übernehmen, die Braun bei einem drohenden karrierebeeinträchtigenden Reputationsschaden hat. Allerdings ist die Höhe auf 100.000 Euro gedeckelt. Mit dem Urteil bestätigte das OLG seine Eilentscheidung aus dem November 2021 (Az. 7 U 96/21).
Größter Betrugsfall der Nachkriegsgeschichte
Gegen Braun wird ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft München I unter anderem wegen des Verdachts des bandenmäßigen Betrugs, der Bilanzfälschung, Marktmanipulation und Verstößen gegen das Wertpapierhandelsgesetz geführt. Er befindet sich seit Sommer 2020 in Untersuchungshaft und weist die Vorwürfe zurück. Inzwischen ist Anklage gegen ihn erhoben worden. Der Zusammenbruch des einstigen Börsen- und Wirtschaftslieblings Wirecard gilt als größter Betrugsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte. Nun kann Braun zumindest einen kleinen Erfolg verbuchen.
Wirecard im Streit mit D&O-Versicherer
Wirecard hatte bei der beklagten Versicherung für seine Organmitglieder und leitenden Angestellten eine D&O-Versicherung abgeschlossen. Braun wollte den Versicherer auf Deckung von PR-Kosten aus dieser Police in Anspruch nehmen, da er wegen zahlreicher kritischer Medienberichte im Zuge seines Ermittlungsverfahrens eine auf Presserecht spezialisierte Kanzlei sowie eine Presseagentur beauftragt hatte, um hier gegenzusteuern. Die angefallenen Kosten verlangte er zurück, die Versicherung stellte sich quer. Begründung: PR-Kosten seien nur in Bezug auf eine Berichterstattung über die zivilrechtliche Inanspruchnahme des Klägers, nicht aber in Bezug auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu ersetzen. Das Landgericht Frankfurt hatte Braun im Streit über die Übernahme der Verteidigungs- und Anwaltskosten zwar Recht gegeben, den Antrag auf Übernahme der PR-Kosten aber abgelehnt.
Anspruch auch bei kritischer Berichterstattung über strafrechtliches Ermittlungsverfahren
Das sah das OLG in der Berufungsverhandlung anders. Die Begründung der Richter: Es komme nicht darauf an, ob die Berichterstattung sich mit dem Versicherungsfall einer konkreten zivilrechtlichen Inanspruchnahme (Haftpflicht-Versicherungsfall) befasse oder sich auf den durch das Ermittlungsverfahren ausgelösten Versicherungsfall (Verfahrensrechtsschutz-Versicherungsfall) beziehe. Bei verständiger Auslegung der Versicherungsbedingungen solle gerade Schutz vor existenzieller Beschädigung des Ansehens im Zusammenhang mit strafrechtlichen Vorwürfen gewährt werden. Soweit die Berichterstattung nicht ohnehin im Rahmen zulässiger Verdachtsberichterstattung hinzunehmen sei und durch die Einschaltung einer PR-Agentur oder durch gerichtliche Maßnahmen abgewendet oder gemindert werden könne, werde dem Versicherten ausdrücklich umfassender Reputationsschutz zugesagt. Dies umfasse nach den berechtigten Erwartungen des Versicherten insbesondere den Ersatz von PR-Kosten in Hinblick auf eine kritische Berichterstattung über das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, das im Mittelpunkt des medialen Interesses stehe. Anderenfalls liefe der Versicherungsschutz ins Leere.
Kostenerstattung wird begrenzt
Der Höhe nach sei der Anspruch auf Gewährung von PR-Kosten allerdings auf 100.000 Euro pro versicherte Person und Versicherungsperiode begrenzt. Das zur Verfügung stehende Grundsublimit von 500.000 Euro werde „je versicherter Person und je Versicherungsfall“ auf 100.000 Euro limitiert, um einer vorschnellen Erschöpfung der Versicherungssumme entgegenzuwirken und eine möglichst gerechte Aufteilung im Kreis der Versicherten sicherzustellen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es kann Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt werden.