24.02.2022 Recht | Ratgeber

Mal gewinnt man, mal verliert man: Die Arag und der Diesel-Skandal

Rechtsschutzversicherer beschäftigt der Skandal um unzulässige Abschaltein­richtungen seit Jahren. Wie hoch die Erfolgsaussichten der Prozesse tatsächlich sind, ist unklar. Das Landgericht Düsseldorf hat nun einmal für und einmal gegen die beklagte Arag entschieden, die keine Deckungszusage gewähren wollte.

Die Arag selbst hält sich in Sachen Kommentierung der nun ergangenen Urteile auffallend zurück. (Foto: ARAG)
Die Arag selbst hält sich in Sachen Kommentierung der nun ergangenen Urteile auffallend zurück.
(Foto: ARAG)

Das Landgericht Düsseldorf hatte mit der Arag in den vergangenen Wochen häufiger zu tun. In zwei Urteilen wurde entschieden, wann der Rechtsschutzversicherer Deckungszusagen im Zusammenhang mit dem Diesel-Skandal zu erteilen hat und wann nicht. Dabei verbuchte das Unternehmen einen Sieg und eine Niederlage.

Deckungsschutz kann nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht verwehrt werden

 

Zunächst entschied das Landgericht (Az. 9 O 257/21) Anfang Februar zuungunsten der Arag. Der Rechtsschutzversicherer muss demnach für ein Berufungsverfahren vor dem OLG Stuttgart zahlen. Dabei ging es um einen Autokäufer, der im 2017 einen Pkw für rund 53.000 Euro gekauft hatte. Seine Klage vor dem Landgericht Stuttgart war jedoch abgelehnt worden. Dennoch muss die Arag für das Berufungsverfahren eine Deckungszusage leisten, befanden die Richter. Sie sahen „die Rechtslage hinsichtlich eines Mercedes ML 350 BT 4M nicht so weit zugunsten des Fahrzeugherstellers geklärt, dass die Gewährung von Rechtsschutz für das Berufungsverfahren wegen fehlender Erfolgsaussicht versagt werden könnte“.

Auch BGH-Urteil zeigt Anknüpfungspunkte für möglichen Klageerfolg

 

Das Landgericht verwies in seiner Begründung auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Sommer 2021 (Az. VI ZR 128/20). Damals ging es um den Einbau einer Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung, die auch im vorliegenden Fall im Fahrzeug verbaut war. Hierbei handelt es sich um eine Software, die erkennt, ob ein Fahrzeug auf einem Prüfstand zur Abgasmessung steht. In dem Fall wird dadurch gesorgt, dass sich das Motoröl langsamer erwärmt und dadurch der Stickoxid-Ausstoß reguliert und auf das zulässige Maß reduziert wird. Die Verwendung einer solchen Software könne ein Anknüpfungspunkt für die Annahme eines sittenwidrigen Verhaltens sein, befand der BGH und gab der Revision des Autobesitzers recht. Dies müsse die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Koblenz, genauer prüfen. Der BGH verweis das Verfahren daher zurück ans Berufungsgericht. Auch aus dieser Entscheidung ergeben sich nach Ansicht der Düsseldorfer Richter mögliche Erfolgsaussichten für den klagenden Autobesitzer.    

Arag siegt in zweitem Verfahren

 

Besser lief es dann für den Versicherer vor wenigen Tagen. Das Landgericht Düsseldorf (Az. 9a O 180/21) wies nun eine Deckungsklage ab, diesmal zu einem Mercedes C 220 Blue TEC 220, gekauft im August 2015. Auch hier ging es um den angeblichen Verbau einer illegalen Abschalteinrichtung. Und auch hier hatte die Arag aufgrund unzureichender Erfolgsaussichten die Deckungszusage verweigert – in diesem Fall laut Urteil aber zurecht. So seien die Voraussetzungen für eine Entschädigung im Zusammenhang mit der Verwendung von Abschalteinrichtungen bereits höchstrichterlich geklärt, erklärte das Landgericht und verwies auf ein BGH-Urteil aus dem Jahr 2020 (Az. VI ZR 252/19). Damals hatte der BGH dem Käufer eines gebrauchten Sharans, in den eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut war, Schadensersatzansprüche gegenüber VW zugestanden. Da die Entscheidung von VW, illegale Abschalteinrichtungen zu verbauen, bewusst und geplant im Sinne der Gewinnmaximierung erfolgt war, lag aus Sicht des BGH eine sittenwidrige Schädigung gemäß Paragraf 826 BGB vor.  

Gesetzesverstoß nicht billigend in Kauf genommen

 

Im vorliegenden Fall habe der klagende Autokäufer allerdings keine greifbaren Anhaltspunkte vortragen können, dass die Mitarbeiter der Daimler AG bei der Entwicklung der Kühltemperatur-Solltemperatur-Regelung beziehungsweise des Thermofensters bewusst eine unzulässige Abschaltvorrichtung verwendet und einen Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen hätten. Insoweit sah das Düsseldorfer Landgericht keine Erfolgsaussichten für die Klage – entsprechend müsse die Arag hier auch keine Deckungszusage leisten. Wie auch das erste ist dieses Urteil nicht rechtskräftig. Es kann Berufung zum Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt werden.

Hohe Kosten für die Branche

 

Den Rechtsschutzversicherern kommen die Schäden aus dem Dieselskandal immer teurer zu stehen. Im November 2021 schätzte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) die Prozesskosten auf 1,2 Milliarden. Euro. Allein bis Ende Oktober 2021 nahmen rund 380.000 Kunden ihre Rechtsschutzversicherung im Streit mit Autoherstellern wegen mutmaßlich manipulierter Abgaswerte in Anspruch. Der Gesamtstreitwert aller über die Rechtsschutzversicherer abgewickelten Diesel-Rechtsschutzfälle schätzte der GDV auf 9,8 Milliarden Euro. Bei der Arag indes sind nach vorläufigen Zahlen für das vergangene Jahr keine spürbaren Auswirkungen zu erwarten. „Wir werden bereits in diesem Jahr unser Wachstumsziel für 2022 erreichen“, sagte Vorstandssprecher Renko Dirksen beim Jahresabschlussgespräch Anfang Dezember 2021. Vor Steuern dürfte der Konzern zwischen 80 und 85 Millionen Euro Gewinn machen – nach 83,2 Millionen Euro im Vorjahr.


Weitere Artikel

Listing

29.08.2023 Recht | Ratgeber

Versicherungsschutz trotz veralteter IT

Fehlende Sicherheitsupdates führen laut Landgericht Tübingen nicht automatisch zum Leistungsausschluss bei der Cyberversicherung. Die VP-Experten Schyma und Mallmann erklären, was dieses Urteil für die Versicherten bedeutet – und worauf insbesondere Neukunden achten sollten.

> weiterlesen
Listing

30.11.2022 Recht | Ratgeber

Invalidität: Neue Gesundheitsprüfung ging nach hinten los

Nach einem Fahrradunfall erhielt ein Mann 13 000 Euro Invaliditätsleistung von seiner Versicherung. Nach erneuter medizinischer Prüfung wurde sein Invaliditätsgrad jedoch nachträglich herabgestuft. Prompt verlangte der Versicherer eine Rückzahlung. Der Fall landete vor dem BGH.

> weiterlesen
Listing

18.11.2022 Recht | Ratgeber

Urteil zur Erwerbsminderungsrente: Bestandsrentner gehen leer aus

Das Bundessozialgericht sieht in politischen Entscheidungen zur Erwerbs­minderungs­rente, von denen nicht alle Leistungsempfänger profitieren, keine Ungleich­behandlung. Die Klage zweier Rentner und der sie unterstützenden Sozialverbände ist damit gescheitert. Sie wollen nun das Bundesverfassungsgericht anrufen.

> weiterlesen