Trotz Fristablauf: Versicherung muss zahlen
Ein aktuelles Urteil des OLG Frankfurt zeigt, dass Versicherungen Leistungen nicht immer verweigern können, selbst wenn Fristen zur Anzeige versäumt wurden.
Die Bedingungen eines Versicherungsvertrags enthalten üblicherweise zahlreiche Klauseln, die der Kunde stets im Blick haben sollte. Dazu zählen Mitteilungsfristen, wenn man Leistungen in Anspruch nehmen will. Hält man sich nicht daran, sind Versicherung nicht zimperlich, ihre Leistungen zu kürzen oder ganz zu verweigern. Doch was passiert, wenn der Versicherte den Leistungsfall gar nicht melden kann? So eine Frage lag nun dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt zur Entscheidung vor (Az. 7 U 36/19).
Ehemann mit Vorsorgevollmacht beantragt rückwirkend Leistungen
Was war passiert? Eine Frau erlitt im August 2012 einen schweren Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung, vollständigem Verlust der Sprachfähigkeit und erheblichen Beeinträchtigungen des Erinnerungsvermögens. Im April 2013 erhielt sie die Pflegestufe III. Ihr Mann meldete den Versicherungsfall im Februar 2015 und beantragte rückwirkend Leistungen aus der Pflegetagegeldversicherung ab April 2013. Er hatte eine Vorsorgevollmacht für seine Ehefrau. Die Versicherung lehnt eine Zahlung ab. Die Klage des Ehemanns vor dem Landgericht Frankfurt (Az. 2-23 O 411/16) blieb erfolglos.
Verspätete Anzeige erfolgte laut OLG unverschuldet
Das OLG Frankfurt gab jedoch der hiergegen eingelegten Berufung statt, auch wenn diese Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Zur Begründung verwiesen die Richter auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Dort heißt es: „Wird der Antrag nach Ablauf des Monats gestellt, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, ist der Leistungsanspruch vom Beginn des Monats der Antragstellung gegeben. Bei einer unverschuldet verspäteten Anzeige des Versicherungsfalls werden die Leistungen jedoch rückwirkend erbracht.” Nach Auffassung des OLG könne sich die beklagte Versicherung nicht auf eine verspätete Anzeige des Versicherungsfalls berufen, denn diese sei hier unverschuldet erfolgt.
Kläger muss Versicherungsvertrag seiner Frau nicht kennen
Grundsätzlich müsse zwar der Versicherungsnehmer selbst den Versicherungsfall anzeigen. Doch das war der betroffenen Frau hier aufgrund der gesundheitlichen Folgen des Schlaganfalls nicht möglich. Sie habe auch nicht ihren Mann vor dem Eintritt des Versicherungsfalls über das Bestehen des Versicherungsvertrages informieren müssen. Eine solche Vorsorgeobliegenheit existiert laut Urteil nicht. Der bevollmächtigte Mann habe auch nicht eine frühere Anzeige des Versicherungsfalls schuldhaft versäumt. Er habe schlicht keine Kenntnis von der Pflegetagegeldversicherung seiner Frau gehabt. Die ihm bekannten monatlichen Abbuchungen der Versicherungsbeiträge in Höhe von 20 Euro hätten zudem keinen Anlass geboten, vom Bestehen einer derartigen Versicherung auszugehen. Aus dem Buchungstext ging lediglich hervor, dass es einen Versicherungsvertrag bei der Beklagten gab. Die Art der Versicherung blieb dabei im Unklaren.
Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Versicherung hat die Option, per Nichtzulassungsbeschwerde vor den Bundesgerichtshof (BGH) zu gehen.