Unerlaubte Werbung: ottonova kassiert BGH-Schlappe
Ärztliche Fernbehandlungen per Videochat oder per App dürfen auch weiterhin nicht beworben werden. Trotz einer Neufassung des maßgeblichen Paragrafen des Heilmittelwerbegesetzes unterlag der digitale Krankenversicherer ottonova auch vor dem BGH gegen die Wettbewerbszentrale.
Der digitale private Krankenversicherer ottonova hat vor dem Bundesgerichtshof (BGH) eine Niederlage erlitten. Die Karlsruher Richter entschieden in einem aktuellen Urteil, dass die von dem Münchener Unternehmen betriebene Werbung für ärztliche Fernbehandlung nicht rechtmäßig war. ottonova hatte auf seiner Internetseite unter anderem mit der Aussage geworben: „Warum du den digitalen Arztbesuch lieben wirst. Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibung per App.“ Die Fernbehandlung durchführen sollen die sogenannten „eedoctors“ – ein Team aus 25 Notärzten und Allgemeinmedizinern aus der Schweiz.
Wettbewerbszentrale gewinnt in Vorinstanzen
Die Wettbewerbszentrale (Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e.V.) sah in dieser Werbung einen Verstoß gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen nach § 9 HWG (Heilmittelwerbegesetz) und klagte gegen ottonova auf Unterlassung. Schon in den ersten beiden Instanzen am Landgericht und Oberlandesgericht (OLG) München bekam der Interessenverein Recht. Die Richter urteilten, dass nach Auslegung des strittigen Paragrafen telemedizinische Behandlungen zwar erlaubt sind, eine Werbung hierfür aber nicht. Im Laufe des Berufungsverfahrens wurde jedoch § 9 HWG mit Wirkung zum 19. Dezember 2019 durch einen Satz 2 ergänzt. Danach gilt das nun in Satz 1 geregelte Werbeverbot für Fernbehandlungen nicht, wenn für die Behandlung nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich ist.
Trotz Gesetzesänderung kein Erfolg für Beschwerde
Das OLG ließ keine Revision zu. Dagegen legte ottonova aber Beschwerde ein, die der BGH zur Entscheidung annahm – am Ende für den Digitalversicherer aber nicht zum Erfolg führte. Die BGH-Richter entschieden, dass die beanstandete Werbung gegen § 9 HWG sowohl in seiner alten als auch in seiner neuen Fassung verstößt. ottonova habe „in seiner alten Fassung für die Erkennung und Behandlung von Krankheiten geworben, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen beruht. Eine eigene Wahrnehmung im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Arzt den Patienten nicht nur sehen und hören, sondern auch – etwa durch Abtasten, Abklopfen oder Abhören oder mit medizinisch-technischen Hilfsmitteln wie beispielsweise Ultraschall – untersuchen kann. Das erfordert die gleichzeitige physische Präsenz von Arzt und Patient und ist im Rahmen einer Videosprechstunde nicht möglich“, heißt es im BGH-Urteil.
Nach Paragraf 9 Satz 2 HWG in seiner neuen Fassung sei das in Satz 1 geregelte Verbot zwar nicht auf die Werbung für Fernbehandlungen anzuwenden, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgten. Und zu diesen Kommunikationsmedien gehörten auch Apps, stellten die Richter klar. Das gelte aber nur, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich sei. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt.
ottonova: Urteil „schwer nachvollziehbar”
ottonova akzeptiert nach eigener Aussage die Karlsruher Entscheidung, zeigt aber auch Unverständnis. „Natürlich sind wir enttäuscht, aber es ist gut, dass wir Klarheit haben. Wir stehen bei den digitalen Möglichkeiten in der medizinischen Behandlung noch ganz am Anfang, der Zuspruch hierfür wird sich wie ohnehin die gesamte Branche in den kommenden Jahren zunehmend verändern.“ Thomas Oßwald, General Counsel der ottonova, ergänzt: „Wir müssen natürlich zunächst die Urteilsbegründung abwarten. Aber ist schwer nachvollziehbar, dass die Fernbehandlung einerseits von der Politik gewollt und dem Gesetzgeber erlaubt, die Werbung dafür aber verboten ist.“