16.09.2022 Sparten/Produkte

Diesen Schwachpunkt haben private Krankentagegeldversicherungen

Die Bedingungen von privaten Krankentagegeldpolicen haben laut der Beratungs­gesellschaft Premium Circle ein gravierendes Problem. Es geht um die Berechnung des Nettoeinkommens als Grundlage für die Leistungshöhe. Kunden drohten erhebliche Kürzungen. In der Praxis sieht die Anwendung offenbar anders aus.

Versicherten, die in den zurückliegenden zwölf Monaten Ersatzleistungen bezogen, droht beim Bezug von Krankentagegeld eine böse Überraschung. (Foto: © Butch - stock.adobe.com)
Versicherten, die in den zurückliegenden zwölf Monaten Ersatzleistungen bezogen, droht beim Bezug von Krankentagegeld eine böse Überraschung.
(Foto: © Butch - stock.adobe.com)

Das Beratungsunternehmen Premium Circle Deutschland hat in einer aktuellen Studie eine nach eigener Einschätzung fatale Vertragsfalle in der privaten Krankentagegeldversicherung aufgedeckt. Das betrifft nicht nur Privatpatienten, da viele gesetzlich Versicherte eine private Krankentagegeldversicherung als Zusatzpolice abschließen, um damit die Leistungen der Krankenkasse aufzustocken. 

Problem: Was ist Einkommensersatz, was Nettoeinkommen?

 

Knackpunkt ist ein Paragraf in den Musterbedingungen. Darin ist geregelt, dass sich mit einer Krankentagegeldpolice das Nettoeinkommen aus beruflicher Tätigkeit aus den zurückliegenden zwölf Monaten versichern lässt. Doch was dazu zählt und was nicht, ist laut Premium Circle nicht näher definiert. Das heißt: Hat ein Kunde beispielsweise in dem relevanten Zeitraum drei Monate lang Krankentagegeld von seinem Versicherer erhalten, zählen diese Beträge nicht mit, wenn der Versicherer sie als Einkommensersatz und nicht als Nettoeinkommen wertet. Der Versicherer kann also die Krankentagegeldzahlung kürzen, die der Kunde jetzt wegen seiner zweiten Arbeitsunfähigkeit bekommt. Gleiches gilt für andere Formen von Einkommensersatz, beispielsweise Kurzarbeitergeld. Durch jede weitere Phase, in der der Versicherte Krankentagegeld oder Kurzarbeitergeld erhält, kann sich die Auszahlung reduzieren – im Zweifel bis auf null, so Premium Circle.

Untersuchung der Tarife: desaströses Ergebnis

 

Das Unternehmen hat die Vertragswerke von 28 PKV-Versicherern (mit einem Marktanteil von 99,40 Prozent bezogen auf die Anzahl der Versicherten) im Hinblick auf die vertraglich garantierten Leistungen analysiert und bewertet. Das Ergebnis, zu dem Premium Circle kommt, muss man wohl als vernichtend einstufen. Im Falle einer zweiten Arbeitsunfähigkeit innerhalb von zwölf Monaten schneiden 21 PKV-Versicherern mit „mangelhaft“ und sieben Anbieter sogar mit „ungenügend“ ab. Versicherte hätten keine Klarheit über die Höhe der Leistung im Falle einer Arbeitsunfähigkeit, die Klauseln würden von den Anbietern nach Belieben ausgelegt und interpretiert. Für Versicherte sei das „ein existenzielles Glücksspiel“, so das Urteil der Autoren.

Tatsächliche Leistungspraxis besser, aber kein Rechtsanspruch

 

Die gute Nachricht: „Etwa die Hälfte der Versicherer hält sich zum Vorteil ihrer Kunden nicht an ihre eigenen Klauseln", sagt Hendrik Scherer, Geschäftsführer der Premium Circle Deutschland GmbH, der „Süddeutschen Zeitung“. Das zeigen auch die weit besseren Studienergebnisse von Premium Circle zur Leistungspraxis. Die Anfragen des Unternehmens bei den Versicherern hätten ergeben, dass einige das Einkommen aus den Monaten, in denen der Kunde tatsächlich gearbeitet hat, auf zwölf Monate hochrechnen. Trotzdem: „Auch wenn einige Versicherer es in der Praxis so handhaben, dass es nicht zu einer Einbuße kommt, so haben die Versicherten auf diese Kulanz letztlich keinen Rechtsanspruch“, sagt Alexander Schäfer, Fachanwalt für Versicherungs- und Medizinrecht. Die Versicherer könnten sich jederzeit auf ihre Klauseln berufen und die Leistungen kürzen.

PKV-Verband will sich nicht einmischen

 

Der PKV-Verband sieht indes keinen Handlungsbedarf. „Der PKV-Verband stellt den Versicherungsunternehmen, die eine Krankentagegeldversicherung betreiben, lediglich unverbindliche Musterbedingungen zur Verfügung", erklärt ein Sprecher gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. Wie mit dem Begriff Nettoeinkommen verfahren werde, habe nichts mit den Musterbedingungen zu tun, sondern mit den unternehmensindividuellen Tarifbedingungen. „Zur Auslegung dieser Versicherungsbedingungen der einzelnen Krankentagegeldversicherung können wir uns daher nicht äußern.“


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