22.09.2022 Sparten/Produkte

PKV macht gegen Systemänderungen mobil

Der gesetzlichen Krankenversicherung droht dauerhaft ein massives Finanzloch. Der Verband der Privaten Krankenversicherungen warnt in diesem Zusammenhang vor einer höheren Beitragsbemessungsgrenze oder der Einschränkung der Wahlfreiheit zwischen PKV und GKV.

Der höhere Behandlungsaufwand für Ältere ist einer der Treiber der Kostenexplosion im Gesundheitswesen. (Foto: © joyfotoliakid - stock.adobe.com)
Der höhere Behandlungsaufwand für Ältere ist einer der Treiber der Kostenexplosion im Gesundheitswesen.
(Foto: © joyfotoliakid - stock.adobe.com)

Der Verband der Privaten Krankenversicherer sorgt sich um mögliche Reformen im Gesundheitswesen. Hintergrund ist das Rekorddefizit in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), das für 2023 auf mindestens 17 Milliarden Euro beziffert wird. Zwar solle das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz diese Finanzlücke schließen, schreibt der PKV-Verband. Auf die Folgen des demografischen Wandels und die rasant steigenden Leistungsausgaben gebe es aber noch keine Antwort. „In der Debatte um die notwendigen Reformschritte wird von manchen eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) und der Versicherungspflichtgrenze auf das Niveau der Rentenversicherung vorgeschlagen. Doch was die Befürworter als ‚sozial gerechte Belastung starker Schultern’ beschreiben, hätte gerade für die Mittelschicht und für die Arbeitsplätze in Deutschland massive Folgen“, so die Position des PKV-Verbands. 

Fast 50 Prozent Beitragserhöhung stehen im Raum

Der Verband rechnet vor: Die Beitragsbemessungsgrenze beträgt derzeit monatlich 4837,50 Euro und soll ersten Berichten zufolge im Jahr 2023 regulär auf 4987,50 Euro steigen. Eine Anhebung auf das Niveau der Rentenversicherung (aktuell: monatlich 7050 Euro) würde für die Betroffenen auf eine Beitragserhöhung um 46 Prozent hinauslaufen. Der Beitrag für die Kranken- und Pflegekasse würde für Versicherte mit einem Einkommen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze von monatlich 933 Euro auf 1361 Euro steigen – eine Mehrbelastung von 428 Euro im Monat. Die Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland wären nach Ansicht der PKV immens: Der Faktor Arbeit würde gerade im Bereich hochqualifizierter Angestellter belastet. Die Wettbewerbsfähigkeit würde unter der Explosion der Lohnzusatzkosten für die Arbeitgeber leiden. 


Versicherungspflicht: PKV sieht schwarz



Gravierende Folgen für die Gesetzliche Krankenversicherung hätte laut PKV-Verband auch die angedachte Anhebung der Versicherungspflichtgrenze auf das Niveau der Rentenversicherung. Die Versicherungspflichtgrenze legt fest, bis zu welchem Einkommen sich Angestellte in der GKV versichern müssen. Erst wenn das Jahreseinkommen diese Grenze überschreitet, sind Angestellte frei und können in die Private Krankenversicherung (PKV) wechseln. Eine außerordentliche Anhebung der Versicherungspflichtgrenze fand zuletzt 2003 statt. Mittlerweile liegt die Versicherungspflichtgrenze bei 64.350 Euro Bruttoentgelt im Jahr – das 1,7-fache des Durchschnittseinkommens (2022: 38.901 Euro). Eine Anhebung auf 84.600 Euro würde mehr als das Doppelte des Durchschnitteinkommens bedeuten.


Wahlfreiheit entlastet angeblich GKV



Nach Auffassung des PKV-Verbands würde eine Anhebung der Versicherungspflichtgrenze die demografischen Probleme der GKV sogar noch verschärfen. Mittelfristig würden mit der Alterung des erweiterten Kreises von Versicherungspflichtigen die Leistungsausgaben stark steigen. Dafür gibt es in der GKV keine Vorsorge, sodass diese altersbedingt steigenden Kosten vor allem zulasten der künftigen Beitrags- und Steuerzahler gingen. Tatsächlich sei es im langfristigen finanziellen Eigeninteresse der GKV, mehr Wahlfreiheiten an der Systemgrenze zu ermöglichen anstatt weniger. Denn jeder Wechsler von der GKV in die PKV werde bis zum Zeitpunkt des Wechsels mehr in die GKV eingezahlt haben, als er bis dahin an Leistungen in Anspruch genommen hat. Die ausgabenintensiveren Jahre der zweiten Lebenshälfte würden diese Versicherten aber dann in der PKV verbringen, wo sie eine entsprechende finanzielle Vorsorge mit den PKV-typischen Alterungsrückstellungen aufbauen würden.


Schaden fürs Gesundheitssystem befürchtet



Die außerordentliche Anhebung der Versicherungspflichtgrenze auf 84.600 Euro würde den Markt im Bereich der Arbeitnehmer für die PKV faktisch schließen. Nur die wenigsten Angestellten zwischen 30 und 40 Jahren erreichen eine entsprechende Einkommenshöhe. Für Angestellte gebe es dann praktisch keine Möglichkeit mehr, sich im System der PKV zu versichern. Wahlfreiheit und Wettbewerb zwischen GKV und PKV um Angestellte würden zugunsten Gunsten einer „Bürgerversicherung für Angestellte“ beseitigt. Den Schaden hätte nach Ansicht des PKV-Verbands das gesamte Gesundheitssystem, denn dieser Wettbewerb trage maßgeblich zur hohen Qualität der Gesundheitsversorgung in Deutschland bei.


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