Wohlverhalten – BaFin macht Lebensversicherern Vorgaben
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen verzichtet ganz offiziell auf einen Provisionsdeckel oder -richtwert. In den Blickpunkt der Versicherungsaufsicht rücken nun Produktfreigabeverfahren sowie im Marktvergleich hohe Effektivkosten und Vertriebsprovisionen.
Die Google-Trefferliste ergibt nur 21.400 Ergebnisse – dabei erhitzt der „Provisionsdeckel“ für den Vertrieb von Lebensversicherungen seit Jahren die Gemüter in der Branche. Immer wieder hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) Anläufe unternommen, um eine Obergrenze bei der Vergütung aufsichtsrechtlich zu verankern. Während Verbraucherschützer und wahlweise rote oder grüne Fachpolitiker applaudierten, machten Vermittlerverbände, Versicherer und Abgeordnete aus dem Lager der FDP oder CDU gegen die Pläne Front. Nun sind alle Schlachten geschlagen und das Thema abgeräumt: Die Finanzaufsichtsbehörde hat ihren Angriff auf den provisionsbasierten Vertrieb abgeblasen. Provisionsdeckel und der im Frühjahr von der BaFin alternativ ins Spiel gebrachte Provisionsrichtwert sind endgültig vom Tisch.
BaFin veröffentlicht Merkblatt zum Wohlverhalten von Lebensversicherern
Lange hatte sich die BaFin geziert, ihren Kurswechsel, der faktisch seit Monaten feststeht, öffentlich zu machen. Nun stellt sie das „Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ auf ihrer Internetseite zur Konsultation – und bestätigt das Aus für eine Obergrenze bei der Vergütung. „Eine richtige Entscheidung“, kommentiert Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand Bundesverband Finanzdienstleistung AfW. „Mit dem Paragraf 48a Versicherungsaufsichtsgesetz hat die BaFin schon lange ein scharfes Schwert, um gegen Vergütungsregelungen vorzugehen, die dem Kundeninteresse wiedersprechen.“
Lebensversicherungsgesellschaften können bis Mitte Januar 2023 Stellung zum Entwurf des Merkblattes nehmen. In dem Papier legt die BaFin den Schwerpunkt auf das Produktfreigabeverfahren. So müssten Altersvorsorgeprodukte einen „angemessenen Kundennutzen“ bieten, den die Versicherungsaufsicht bei einer realen Rendite „oberhalb einer begründeten Inflationserwartung“ ansetzt. Auch Vorgaben zur Vertriebsvergütung finden sich in dem Entwurf. Nach Einschätzung der BaFin können hohe Vermittlerprovisionen einer ergebnisoffenen Kundenberatung entgegenstehen. Fehlanreize sollen deshalb von vorn herein vermieden werden.
Angemessene Provisionen ermöglichen gute Beratung
Kritik kommt an dieser Stelle vom Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa (Votum). „Gerade die Bereitstellung angemessener Provisionszahlungen seitens der Versicherungsunternehmen ermöglicht es dem Vermittler, eine umfassende und die Belange des Kunden ganzheitlich berücksichtigende Beratung anzubieten“, sagt Votum-Vorstand Martin Klein. Er tritt damit dem von der BaFin vermittelten Eindruck entschieden entgegen, dass hohe Provisionen grundsätzlich einer guten Beratung entgegenlaufen würden.
Effektivkosten rücken in den Fokus – BaFin setzt auf Abschreckung
Statt Provisionsdeckel oder -richtwert rücken nun Kennzahlen in den Vordergrund, die Ausreißer auf der Kostenseite einer Police im Branchenvergleich aufspüren sollen – und dann intensive Prüfungen der Versicherungsaufsicht nach sich ziehen. Die BaFin will insbesondere diejenigen Versicherer auf den Pelz rücken, „bei denen die Effektivkosten der kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukte im Branchenvergleich deutlich erhöht sind“, sagt Pressesprecher Norbert Pieper. Insbesondere bei Fondspolicen werde man unter dem Aspekt der Fehlanreize einen Fokus auf Rückvergütungen legen.
Ganz offensichtlich setzt die BaFin auf einen Abschreckungseffekt. Niemand mag gern die Behörde im Haus haben, heißt es bei der Versicherungsaufsicht hinter vorgehaltener Hand. Dies könnte die Versicherer veranlassen, genauer hinzusehen. Gerade Rückvergütungen von Kapitalvertriebsgesellschaften an Vermittler können zu Interessenskonflikten führen. Die BaFin plant verschärfte Prüfungen bei den 25 Prozent der Gesellschaften, die die höchsten Effektivkosten im Marktvergleich ausweisen. Eine vergleichbare Vorgehensweise ist bei den Provisionen vorgesehen.
Höhere Produktkosten können aus Kundensicht vertretbar sein
Unterdessen sieht der Vermittlerverband Votum ein Risiko darin, sich einseitig auf die Kostenseite von Produkten zu fokussieren. „Die BaFin vermittelt den Eindruck, als ob die Versicherungsunternehmen im Rahmen der Produktherstellung lediglich die Kosten ihrer Produkte beeinflussen können, nicht jedoch deren Renditechancen“, sagt Klein. Die Aufsicht laufe Gefahr sich zu einseitig auf die Kostenseite von Produkten zu fokussieren. „Studien der europäischen Aufsichtsbehörde Eiopa zeigen, dass komplexe Produkte mit höheren Kosten für den Kunden höhere Rendite erbringen können.“