Schadensersatz wegen einer Werbemail?
Unerlaubte Datennutzung, lästige Werbemails – dafür gibt es die DSGVO. Doch wer „Schmerzensgeld“ fordert, muss seinen Schaden konkret begründen, so der BGH. Rechtsanwalt Norman Wirth, Kolumnist des FOCUS MONEY-Versicherungsprofi, erklärt, welche praktischen Folgen die Entscheidung für die tägliche E-Mail-Korrespondenz von Vermittlern hat.

(Foto: Wirth-Rechtsanwälte)
Der Fall.
2019 bestellt ein Kunde bei einem Händler, dem späteren Beklagten, Aufkleber mit der Aufschrift „Betteln und Hausieren verboten“. Im März 2020 meldet sich der Händler mit einer Werbe-Mail („trotz Corona sind wir voll für Sie da“). Noch am selben Tag widerspricht der ehemalige Kunde jeder Nutzung seiner Daten zu Werbezwecken durch den Händler. Er verlangt von ihm neben einer strafbewehrten Unterlassung gleich noch 500 Euro immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
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Der Rechtsstreit.
Vor dem Amtsgericht Tuttlingen erkennt der Händler den Unterlassungsanspruch des Kunden an. Einen Zahlungsanspruch des Klägers sieht das Gericht aber nicht. Die nächste Instanz, das Landgericht Rottweil, bestätigt: Ein DSGVO-Verstoß allein trage keinen immateriellen Schaden; es fehle ein greifbarer Nachteil. Die oft beschworene „Bagatellgrenze“ sei zudem nicht überschritten.
Die Revision.
Der Bundesgerichtshof (Az. VI ZR 109/23) sieht die Sache etwas differenzierter. Auch wenn er die Revision zurückweist, hat er zwei klare Botschaften. Erstens: Eine generelle Erheblichkeitsschwelle („Bagatellgrenze“) kennt die DSGVO nicht. Auch kleine Eingriffe können zu Schadensersatz führen. Aber zweitens: Ohne nachgewiesenen Schaden gibt es kein Geld. Ein Verstoß bleibt ein Verstoß, aber er löst nicht automatisch „Schmerzensgeld“ aus. Genau an dieser Darlegung scheiterte schließlich der Kläger. Besonders betont der Senat den Kontrollverlust als möglichen immateriellen Schaden: Selbst ein kurzer Verlust der Datenhoheit kann genügen – wenn er tatsächlich eingetreten und belegt ist. Hier aber wurden die Daten nicht an Dritte weitergegeben; ein unkontrolliertes „Entgleiten“ fand nicht statt. Die bloße Befürchtung künftiger Missbräuche zählt nur dann, wenn sie sich in nachweisbaren negativen Folgen niederschlägt. Allgemeiner Unmut oder der Aufwand, auf eine Werbe-Mail zu reagieren, genügen nicht.
Das Fazit.
Willkürlich festgelegten Bagatellgrenzen hat der BGH zwar einen Riegel vorgeschoben. Doch ebensowenig ist der Art. 82 der DSGVO ein Selbstbedienungsladen. Wer Geld will, muss konkret schildern und belegen, worin der immaterielle Nachteil liegt – etwa ein nachvollziehbarer Kontrollverlust oder belegte Folgen einer begründeten Angst.
Für Unternehmen und Gewerbetreibende bedeutet das: Werbemails ohne Einwilligung bleiben rechtlich riskant. Eine Unterlassungsforderung droht schnell. Doch Zahlungsansprüche werden erst mit substanziellem Schadensvortrag brisant. Betroffene wiederum sollten von Anfang an Beweise und Auswirkungen dokumentieren – ansonsten bleibt es beim Ärger, nicht beim Anspruch.
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