Ausbildungsvergütung: Versicherungsbranche in den Top-3
Eine aktuelle Analyse der Hans-Böckler-Stiftung zeigt drastische Unterschiede in der Höhe der Ausbildungsvergütungen, je nach Region und Branche. Die Versicherungswirtschaft hat dabei die mit am besten zahlenden Arbeitgeber. Schon im ersten Jahr bekommen Azubis 1070 Euro.
Die in Tarifverträgen vereinbarten Ausbildungsvergütungen weisen traditionell je nach Branche und Region sehr große Unterschiede auf. Aktuell reicht die Bandbreite von 585 Euro pro Monat, die Auszubildende im thüringischen Friseurhandwerk im ersten Ausbildungsjahr erhalten, bis zu 1580 Euro im westdeutschen Bauhauptgewerbe, mit denen Auszubildende im vierten Ausbildungsjahr vergütet werden. Dies sind Ergebnisse einer aktuellen Auswertung von 20 ausgewählten Tarifbranchen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung kurz vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres 2022.
Versicherer zahlen mit am besten
Die Versicherungsbranche schneidet im Vergleich durchaus gut ab. Sie liegt mit 1070 Euro im ersten Ausbildungsjahr auf Platz 3 des Rankings. Auch die 1145 Euro im zweiten und die 1230 Euro im dritten Ausbildungsjahr reichen zu einem Spitzenplatz. Die Versicherer liegen damit unter anderem vor dem Bankgewerbe oder der Chemischen Industrie. Ein durchaus starkes Argument für die Branche, die wie andere mit Nachwuchsmangel zu kämpfen hat, wobei der Innendienst weniger stark als beispielsweise der Vertrieb betroffen sein dürfte. Die Assekuranz gehört auch zu einer von nur sieben vom WSI untersuchten Tarifbranchen, in der bundesweit einheitliche Ausbildungsvergütungen existieren.
Pflege top – Floristik flop
Die höchste Ausbildungsvergütung unter den hier untersuchten Tarifbranchen wird aktuell im ersten Ausbildungsjahr mit 1191 Euro (Öffentlicher Dienst: Bund und Gemeinden) bzw. 1161 Euro (Öffentlicher Dienst: Länder) für die Pflegeberufe gezahlt, die mittlerweile innerhalb der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes über gesonderte Regelungen verfügen. Allerdings gelten diese Ausbildungsvergütungen verbindlich nur für öffentliche Einrichtungen. In privaten Pflegeeinrichtungen ohne Tarifvertrag könne die Ausbildungsvergütung deutlich geringer ausfallen, so das WSI.
Die niedrigsten Ausbildungsvergütungen mit Beträgen von zum Teil deutlich unter 800 Euro im Monat finden sich in vier Tarifbranchen: der Landwirtschaft, dem Backhandwerk, der Floristik und dem Friseurhandwerk. Das Schlusslicht bildet mit 585 Euro die ostdeutsche Floristik, die sich damit auf dem Niveau der aktuell gültigen gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung bewegt. Weiterhin bestehen auch in 13 Tarifbranchen nach wie vor Unterschiede im Niveau der Ausbildungsvergütungen zwischen den west- und den ostdeutschen Tarifgebieten.
Stiftung fordert Stärkung der Gewerkschaften
Wenig überraschend fordert die gewerkschaftsnahe Stiftung als Reaktion auf die starken Einkommensunterschiede, die Tarifbindung allgemein zu stärken. Es gebe einen direkten Zusammenhang zwischen den Ausbildungsvergütungen und der Verhandlungsposition der jeweiligen Gewerkschaft, die von Branche zu Branche sehr unterschiedlich sei.
„In einigen Branchen ist das Niveau der Ausbildungsvergütung nach wie vor sehr niedrig“, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Prof. Dr. Thorsten Schulten. „Vor dem Hintergrund der hohen Preissteigerungsraten haben es derzeit viele Auszubildende besonders schwer, mit ihrem Einkommen über die Runden zu kommen, vor allem wenn sie aus einkommensschwachen Familien stammen. Deshalb müssen die Ausbildungsvergütungen gerade in den klassischen Niedriglohnbranchen weiter angehoben werden. Unterstützt werden könnte eine solche Aufwertung durch den zunehmenden Fachkräftemangel, dem ohne eine deutliche Verbesserung der Ausbildungssituation nicht beizukommen sein wird.“