Digital first: Diese Berufe haben in der Versicherungsbranche Zukunft
Data Scientists, UX-Writer oder Performance Marketing Manager: Diese Berufsbilder stehen für eine neue, moderne Arbeitswelt der Versicherungsbranche, die Insurtechs exemplarisch vorleben. So sehen es zumindest die Macher der Ergo-Tochter Nexible. Für Mitarbeiter ohne Digitalkompetenz scheint in dieser Welt wenig Platz.
„Versicherer haben nicht gerade den besten Ruf unter Absolvierenden: Dort gelten sie als träge, innovationsfaul und etwas angestaubt“: Das sagen mit Valentina Brebenaru und Jonas Boltz ausgerechnet die Chefs eines Versicherers. Sie sind Geschäftsführer der Nexible GmbH, einem Digitalversicherer und Vermittler aus Düsseldorf. Das Insurtech gehört zur Ergo Group, einem von Deutschlands größten Erstversicherern.
Insurtechs verpassen Versicherungsbranche modernes Antlitz
Der Modus Operandi ist nicht neu. Insurtechs sind die jungen, hippen Anleger der konservativen Assekuranz, die auf technologie- und datengetriebene Geschäftsmodelle setzen. Sie verkaufen sich als Innovationstreiber und manchmal gar als Revolutionäre, die die Branche komplett umkrempeln wollen. Die Mitarbeiterschaft ist multikulturell, Hierarchien gelten als faktisch abgeschafft. Tatsächlich aber sind viele der Start-ups mit den großen Versicherungskonzernen eng verbandelt. Neben Kooperationen haben viele Unternehmen in den vergangenen Jahren eigene Insurtechs gegründet. Sie fungieren in Teilen wie ein Versuchslabor, in der neben neuen Geschäftsmodellen, auch neue Arbeitsmethoden erprobt und Berufsbilder etabliert werden. Eine Frage in der Zukunft dürfte sein, inwieweit die Neuerungen der Insurtech-Welt nur eine Insellösung sind oder Eingang in die Büroräume der Großkonzerne finden. Dort fehlt es vor allem im Vertrieb an Nachwuchs. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft startete deshalb im vergangenen Jahr schon die Kampagne „Werde #Insurancer“. Insurtechs hingegen suchen vor allem Spezialisten mit digitalen Skills, an denen es jedoch in der gesamten Wirtschaft fehlt.
Kampf um Spezialisten mit Digitalkompetenz
Dem Wettbewerb um solche Spezialisten müssen sich alle Unternehmen stellen, zu groß ist der Mangel. Kein Wunder also, dass die Nexible-Geschäftsführer die Vorzüge ihrer Firma preisen. Dazu zähle beispielsweise eine völlige Entscheidungsfreiheit der Mitarbeiter beim Thema mobiles Arbeiten. „Dieses Vertrauen sorgt nicht nur für eine gesunde Work-Life Balance, sondern trägt letztlich zu einem besseren Teamspirit bei“, sagt Boltz. Auf Uni-Abgänger und Berufserfahrene würden zudem neue aufregende Jobs und eine moderne Arbeitskultur warten. „Als Insurtech arbeiten wir in cross-funktionalen Teams, oft gemeinsam mit externen Profis aus unseren Netzwerken zusammen“, sagt Brebenaru. Die Tools und die Arbeitsplätze sollen dabei nicht nur den Produkten zugutekommen, sondern auch den Arbeitsalltag einfacher gestalten. „Dadurch entstehen neue Möglichkeiten und Räume für Ideen, fürs Ausprobieren und für Innovation“, so Brebenaru weiter. Die Aufgaben würden sich dabei immer stärker in Richtung Datenverarbeitung, Software Development und UX (User Experience) verschieben.
Big Data schafft neue Jobs und ändert alte Berufsbilder
Kernaufgaben wie das Sammeln, Aufarbeiten und Analysieren einer bislang nie dagewesenen Menge an Daten ließen Versicherungsanbieter immer mehr zu Datenhäusern werden. Dabei kristallisiere sich ein neuer Job heraus: die Data Scientists oder Datenwissenschaftler. Ihre Aufgabe: Sie machen aus unstrukturierten Rohdaten von verschiedenen Quellen eine strukturierte Datenbasis, um eine Entscheidungsgrundlage für ein Unternehmen zu schaffen.
Doch auch klassische Berufe, die seit mehr als 100 Jahren in der Versicherungswirtschaft existieren, würden durch die Digitalisierung verändert. Ein Beispiel sind Aktuare. Sie nutzen mathematische Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie, Statistik und Finanzmathematik, um Fragen des Versicherungswesens unter Berücksichtigung des rechtlichen und wirtschaftlichen Umfelds zu beantworten und hier Lösungen zu entwickeln. Neue Technologien, Programmiersprachen, sowie eine nie vorhanden gewesene Fülle an Daten ermöglichten es, die Aufgabenfelder zu erweitern: „Der Job des Aktuars wird in Zukunft noch vielfältiger und attraktiver werden. Das Fachwissen und die neuen Tools machen den Aktuar zu einem Beruf, welcher maßgeblich die Innovation des Versicherungssektors vorantreiben kann“, ist sich Boltz sicher.
Digitale Präsentation schafft neue Berufsbilder
Insurtechs setzen in der Regel nicht auf klassische Vertriebswege. Die Beratung und der persönliche Kontakt zu einem Mitarbeiter fehlen. Die Anbieter nutzen stattdessen komplett digitale Abschlusstrecken. Kunden müssten dennoch eine fundierte Entscheidung darüber treffen können, welches Produkt zu ihnen passt. Diese Aufgabe fällt UX-Writern zu, denen es mit ihrem Sprachgefühl gelingen müsse, komplexe Sachverhalte anschaulich auszudrücken und ein Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Versicherer aufzubauen. „UX-Writer vermitteln die Eigenschaften und den eigentlichen Wert unserer Produkte. Sie schaffen durch die klare Kommunikation unserer Inhalte erst das Erlebnis, das den emotionalen und praktischen Bedürfnissen unserer Kunden gerecht wird“, erläutert Boltz.
Auch auf der technischen Seite sei „User Experience“ gefragt. So müsse beispielsweise sichergestellt werden, dass die Website von sämtlichen Endgeräten angesteuert werden kann. Dies ist eine Aufgabe der Front-End Developer, die die webbasierten Anwendungen konzeptionieren, programmieren und prüfen. Gemeinsam mit den UX-Writern sind Front-End Developer für den Außenauftritt von Digitalversicherern verantwortlich.
Unverzichtbar: Performance Marketing Manager und Product Owner
Als rein online agierende Unternehmen richten sich Insurtechs natürlich an digital affine Menschen. In Sachen Marketing ließen sich digitale Werbekampagnen im Gegensatz zur Print- oder TV-Werbung wesentlich einfacher messen und seien somit auch besser optimierbar. Für Unternehmen wie Nexible ist ein sogenannter Performance Marketing Manager, der diese Werbemaßnahmen über alle digitalen Kanäle hinweg (E-Mail, Suchmaschinen oder soziale Netzwerke, aber auch externe Werbepartnerschaften) plant und bewertet, daher mittlerweile unverzichtbar.
Gleiches gelte für den sogenannten Product Owner. Seine Aufgabe ist es, bei den immer kürzeren Entwicklungszyklen von Versicherungs- und Softwareprodukten den Überblick zu behalten und neben den Entwicklerteams zu agieren. Ein Product Owner erstellt, priorisiert und erläutert die zu entwickelnden Produkteigenschaften und urteilt darüber, welche Eigenschaften am Ende eines Entwicklungsabschnitts fertiggestellt wurden. Ihm obliegt die Entscheidung über das Produkt, seine Eigenschaften und die Reihenfolge der Implementierung. Zu seinen Aufgaben gehört es deshalb, Auslieferungszeitpunkte und Kosten im Auge zu behalten und miteinander in Ausgleich zu bringen.