Quo vadis, Altersvorsorge?
Was ist nach einem halben Jahr aus den Plänen der Ampel-Regierung in Sachen Altersvorsorge geworden? Zu wenig, sagt Martin Klein, geschäftsführender Vorstand des Verbands Votum. In seinem Gastbeitrag gibt er einen Überblick an die Adresse der Vermittler.
Das Thema Altersvorsorge stand im ersten halben Jahr der neuen Bundesregierung im Schatten akuter Krisen wie dem verheerenden Ukraine-Krieg. Auch aus diesem Grund haben viele der durchaus ehrgeizigen Altersvorsorge-Reformprojekte der Ampel-Regierung aktuell noch eher den Status „Absichtserklärung“. Vereinzelt tat sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mit Initiativen hervor, doch wirklich umgesetzt wurde bisher nichts. Jenseits des Parlaments ist die Debatte um die Reformpläne der neuen Bundesregierung allerdings zu keiner Zeit abgeebbt.
Für unseren Verband Votum als politische Interessenvertretung des Versicherungs- und Finanzvertriebs in Berlin und Brüssel bleibt genug zu tun. Für Sie als Vermittler bedeutet das, mit dem Status Quo umzugehen, ohne die Forderungen zu vergessen. Ein Überblick über den derzeitigen Stand für unseren Berufsstand in den drei Schichten der Altersvorsoge.
Noch viel Unklarheit bei Einstieg in Aktienrente
Bei der gesetzlichen Rente sind die harten Fakten aus dem Koalitionsvertrag schnell beschrieben: Die Festlegung des gesetzlichen Rentenniveaus auf mindestens 48 Prozent und die Beibehaltung des gesetzlichen Renteneintrittsalters von 67 Jahren. Richtig und wichtig ist der Einstieg in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung. In einem ersten Schritt soll im Jahr 2022 ein Kapitalstock von zehn Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln eingerichtet werden. Verwalten soll dies die Bundesbank. Dieser Kapitalstock soll als dauerhafter Fonds von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle professionell verwaltet und angelegt werden. Aber: Wie genau diese Stelle aussehen und in welche Produkte investiert werden soll, steht aktuell noch nicht fest. Gleiches gilt für die für den Erfolg der Aktien-Rente entscheidende Frage nach der jährlichen Anschlussfinanzierung. Hier sollte so langsam mal etwas passieren. Und das wird es auch – zu hoch wäre der Prestige-Verlust bei einem Scheitern dieses Vorhabens für die Regierungspartei FDP.
Was wird aus der Altersvorsorgepflicht für neue Selbstständige?
Kommen wir zu einem Punkt, bei dem es für Sie als Vermittler besonders spannend wird: Die Altersvorsorgepflicht für neue Selbstständige „mit Wahlfreiheit“. Durch unsere tägliche Arbeit in der politischen Interessenvertretung in Berlin und Brüssel wissen wir ob der Prioritätenliste der neuen Bundesregierung. Das Thema Altersvorsorgepflicht für Selbstständige steht weit oben auf dieser Liste. Im federführend zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird daran gearbeitet, was unter „neue Selbstständige“ im Sinne des Koalitionsvertrags zu verstehen ist und wie die angesprochene „Wahlfreiheit“ – also die damit gemeinte Opt-Out-Möglichkeit – ausgestaltet werden soll. Zwei entscheidende Punkte, die sicherlich noch viel Diskussionsstoff liefern werden. Denn eines ist jetzt schon klar: Je einfacher die Abwahl der Einzahlungspflicht in die gesetzliche Rente gestaltet wird, desto besser können durch gute Beratung passendere, private Produkte vermittelt werden.
bAV funktioniert auch ohne Reformen
In Bezug auf die betriebliche Altersvorsorge (bAV) sind die Pläne der neuen Bundesregierung recht vage gehalten – sicherlich auch aufgrund der Tatsache, dass man sich in Berlin durchaus bewusst ist, vor welchen Mammutprojekten man in der ersten und dritten Schicht steht. Die bAV soll gestärkt werden, „unter anderem durch die Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen“. Gleichzeitig soll der Druck auf die Unternehmen erhöht werden, das mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz bereits in der vorletzten Legislaturperiode auf den Weg gebrachte Sozialpartnermodell umzusetzen. Hierbei wird jedoch übersehen, dass die Umsetzung häufig an der Mitwirkung des Tarifpartners – den Gewerkschaften – scheitert. Wir stellen fest, dass die bAV aber auch ohne Reformen wächst. Es gibt im Vertrieb deshalb aktuell keinen Grund, auf politische Entscheidungen zu warten.
Stillstand in der dritten Schicht
Fehlt noch das Sorgenkind Riester. Bei der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge kündigt die neue Bundesregierung immer wieder eine grundlegende Reform an. „Wir werden dazu das Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit prüfen“, steht zu diesem Vorhaben im Koalitionsvertrag. Darüber hinaus sollen auch private Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester geprüft werden, wobei für laufende Verträge Bestandsschutz gelten soll. Auch eine Förderung soll es weiterhin geben, um unteren Einkommensgruppen Anreize zu bieten, Produkte in Anspruch zu nehmen.
Votum setzt sich in Berlin weiterhin für eine kurzfristige Mini-Riester-Reform ein. Machbar wäre dies ohne große Probleme. Das Absenken des Garantieniveaus scheitert einzig und allein am ideologischen Gegenwind aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Vermittler sollten sich nach Riester-Alternativen umsehen
In der dritten Säule konkret geplant sind nur Prüfaufträge über Prüfaufträge – eine in der Berliner Politik seit Jahren bewährte Methode, um bei Meinungsverschiedenheiten nicht den Koalitionsfrieden zu gefährden und sich auf einen Minimalkonsens zu einigen. Dabei wird eines jedoch leider außer Acht gelassen: Wir haben alles, außer Zeit. Riester wird aufgrund der Absenkung des Höchstrechnungszins und Garantiezwang kaum noch vermittelt, und die rosige Alternative von Produkten „mit höherer Rendite“ werden wir frühestens in der zweiten Hälfte der aktuellen Legislaturperiode zu Gesicht bekommen. Das heißt für Sie als Vermittler: Suchen Sie passende Alternativen für die geförderte private Altersvorsorge. Und die gibt es: Rürup mit Zusatzdeckung und bAV sind nur zwei Beispiele. Langfristig kann die Fondspolice für risikobereitere Kunden auch ohne staatliche Förderung eine attraktive Alternative sein.