17.01.2023 Vermittlerwelt

Scharfe Kritik an BaFin-Merkblatt

Vermittlerverbände gehen mit dem jüngsten Vorstoß der Aufsichtsbehörde hart ins Gericht. Von „Mogelpackung“, „schwerwiegenden“ oder gar „verfassungswidrigen“ Markteingriffen ist in den Stellungnahmen die Rede. Vor allem Makler würden unnötig drangsaliert.

Haus des Anstoßes: Bonner Zentrale der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Die Behörde hat Vermittlerverbände um Stellungnahmen zu ihrem jüngsten Merkblatt gebeten – und die haben es in sich. (Foto: BaFin)
Haus des Anstoßes: Bonner Zentrale der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Die Behörde hat Vermittlerverbände um Stellungnahmen zu ihrem jüngsten Merkblatt gebeten – und die haben es in sich.
(Foto: BaFin)

Zum Glück handelt es sich lediglich um einen Entwurf. Denn das jüngst von der Finanzaufsicht Bafin präsentierte „Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ ist in seiner jetzigen Form offensichtlich untragbar. Zu dieser Bewertung kommen jedenfalls diverse Vermittlerverbände in ihren Stellungnahmen zum Behördenschreiben.

Provisionsdeckel durch die Hintertür

 

Kritisiert werden insbesondere die verschärften Eingriffe in die Vergütungsstruktur, und hier insbesondere die im BaFin-Papier formulierten Auflagen bei der Abschlussprovision. So spricht der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW von einer „faktischen Pflicht zu Provisionssenkungen“ – und das obwohl selbst die aktuell regierende Ampel-Koalition ausdrücklich keinen Provisionsdeckel einplant. Realtitätsfern ist offenbar auch der einseitige Blick der Kontrolleure auf die Rendite. So vermisst der AfW die Berücksichtigung von biometrischen Absicherungen (z.B. Todesfallschutz). Stattdessen werden der Hinterbliebenenschutz nur einseitig als „renditemindernd“ bewertet. „Das ist nicht im Sinne der Kunden und übersieht, dass ein Versicherungsprodukt oft mehr ist als ein reines Sparprodukt“, gibt der Verband zu bedenken. Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW, zieht ein kritisches Fazit: „Gegen den gesetzgeberischen Willen hätten wir hier einen Eingriff in die Vergütungsstrukturen am Markt. Wir erwarten, dass sich die BaFin und das zuständige Finanzministerium mit den Kritikpunkten zu dem Entwurf intensiv auseinandersetzen und hier noch erheblich nachbessern.“

VOTUM spricht von „Mogelpackung“, BFV mit Rundumschlag

 

Vernichtend ist auch die Kritik des Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e. V. (VOTUM). „Der vorliegende Entwurf ist eine Mogelpackung. Unter dem Vorwand, den Versicherungsgesellschaften Anleitungen für ihre Produktentwicklungsprozesse zu geben, werden nahezu ausschließlich Vorgaben und Eingriffe in die Gestaltung der Vertriebsvergütung formuliert“, so VOTUM-Vorstand Martin Klein.

Besonders detailliert hat sich die Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler (BFV) mit dem BaFin-Schreiben befasst. In einer 15-seitigen Stellungnahme werden einzelne Punkte geradezu zerpflückt und ihre Sinnhaftigkeit infrage gestellt. Auch der BFV übt scharfe Kritik an den Auflagen zur Vergütung sowie der angedachten Bevorzugung von Stornierern. Hintergrund sind Vorschläge der BaFin zur Verbesserung der Rückkaufswerte von stornierten Verträgen (Kosten als Prozentsatz des Vertragsguthabens statt des Beitrags, stärkere Verteilung der Kosten über die gesamte Laufzeit) – zum Nachteil jener Kunden, die ihren Vertrag bis zum Ende halten. Dies würde die BaFin nicht erwähnen und „billigend in Kauf“ nehmen, heißt es in der BFV-Kritik.

Verbände fordern grundlegende Änderungen

 

„Die private Altersvorsorge vertragstreuer Kunden ist das Ziel des Ansparvorgangs. Das sollte auch so bleiben, wir sprechen uns dagegen aus, dass die Rendite von Kündigern zulasten der Rendite von vertragstreuen Kunden verbessert werden soll“, mahnt der Verband.
Grundsätzlich sollten „Auflagen und Forderungen der BaFin, die über die gesetzlichen Vorgaben hinaus gehen, gestrichen werden“, fordert der Verband deshalb in seinem Schreiben. 

Damit stimmen die Kritikpunkte zu einem großen Teil mit der Stellungnahme des Bundesverbands Deutscher Vermögensberater (BdV) überein. Auch der BdV bemängelt die Fokussierung auf Kostensenkung und Renditeverbesserung – insbesondere die von der BaFin genannten zwei Prozent Mindestrendite auf Lebensversicherungsprodukte. Zudem fordert der mit rund 40.000 Vermögensberatern mitgliederstärkste Branchenverband eine Würdigung der Fachberatung der Vermittler. „Wir vermissen im Merkblatt eine Definition von Vertrieb. Nur mit dieser ließe sich abgrenzen, welcher Teil einer an den Vermittler gezahlten Vergütung eine Vertriebsvergütung ist, die dann möglicherweise im Kontext mit Interessenskonflikten stehen könnte", heißt es in der BdV-Stellungnahme. Auch fehle eine Auseinandersetzung mit alternativen Vergütungsformen für die persönliche Beratung wie zum Beispiel Gehälter für den angestellten Außendienst und Honorare für Honorarberater.

 


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