14.10.2019 Vermittlerwelt

Vermittler wollen faire Bedingungen

Im VP-Interview spricht sich BVK-Präsident Michael H. Heinz gegen weitere Regulierungen aus und betont die Bedeutung des stationären Vertriebs.

Michael H. Heinz (Foto: ©Lilian Szokody/BVK)
Michael H. Heinz
(Foto: ©Lilian Szokody/BVK)

Im September fand das 15. „Bonner Spitzentreffen“ statt, das für rund 40.000 Versicherungsvertreter in Deutschland steht. Bei dem alljährlichen Treffen der Vorsitzenden der Vertretervereinigungen der deutschen Versicherungsunternehmen, des Präsidiums des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) sowie der Vorstände des Arbeitskreises Vertretervereinigungen der Deutschen Assekuranz (AVV) in Bonn werden aktuelle branchenpolitische, rechtliche und berufsständische Themen erörtert. Über die Ergebnisse des Spitzentreffens und die Forderungen an die Politik aus der verabschiedeten „Bonner Erklärung“: Die Ausschließlichkeit im Spannungsfeld von Regulierung und Digitalisierung“ sprach der Versicherungsprofi mit Michael H. Heinz, Präsident des BVK.

Herr Heinz, die „Bonner Erklärung“ enthält fünf Forderungen aus Sicht der Vermittlerschaft. Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?

Michael H. Heinz: Am meisten befürchten wir, dass der Gesetzgeber einen Provisionsdeckel beschließt. Das halten wir weder für ordnungspolitisch sinnvoll noch angemessen und erforderlich. Schließlich haben die Vermittler seit Inkrafttreten des Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG) genug Einschnitte bei ihren Provisionen sowie eine Verlängerung der Stornohaftzeiten hinnehmen müssen.
Auch die Digitalisierung erzeugt zunehmend Druck bei den Vermittlern. Denn viele Versicherer setzen verstärkt auf Direktvertrieb, und Insurtechs versuchen, die Kundenschnittstelle zu besetzen. Außerdem bereitet uns der Nachwuchsmangel immer mehr Sorgen. In den nächsten zehn bis 15 Jahren werden altersbedingt viele Vermittler ihren Beruf aufgeben. Das reißt Lücken bei der qualifizierten Beratung.

Der Widerstand gegen den Provisionsdeckel zeigt Wirkung. Mit welchem Ergebnis im Gesetzgebungsverfahren rechnen Sie?

Heinz: Der BVK hat gute Kontakte zu den politischen Entscheidungsträgern, aber im komplizierten Kräfteparallelogramm der Großen Koalition sind Prognosen schwer zu treffen. Dennoch hegen wir eine berechtigte Hoffnung, dass der Provisionsdeckel so nicht beschlossen wird.

Mit welchen ordnungspolitischen Eingriffen haben die Vermittler am meisten zu kämpfen?

Heinz: Wir haben in den vergangenen Jahren unglaublich viele Regulierungen verarbeiten und umsetzen müssen. Angefangen beim LVRG, dann kamen die EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD, schließlich die EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID und die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Alles zusammen trägt dazu bei, dass die Belastungsgrenze für die Vermittler erreicht, wenn nicht gar überschritten ist.

Die Regulierungen tragen dazu bei, dass die Belastungsgrenze bei den Vermittlern erreicht ist.

Michael H. Heinz

Sind die gesetzlichen Regulierungen für das sogenannte Vermittlersterben verantwortlich?

Heinz: Was wir in den letzten Jahren gesehen haben, war lediglich eine Marktbereinigung aufgrund neuer gesetzlicher Pflichten wie beispielsweise Registrierung, Sachkundeprüfung, Abschluss einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung usw. Der Erfüllungsaufwand dafür lohnte sich für das Gros der nebenberuflichen Vertreter nicht mehr.
Aber mit dem Provisionsdeckel würde wahrscheinlich das Vermittlersterben erst richtig Fahrt aufnehmen, mit unabsehbaren Folgen für die Absicherung der Bevölkerung durch die qualifizierte Beratung der Versicherungsvermittler und ihren sozialpolitischen Auftrag.

Die Vermittlerschaft hat viele Interessenverbände. Sprechen sie bei der Wahrnehmung dieses Auftrags mit einer Stimme?

Heinz: Das Spitzentreffen, das kürzlich stattfand, hat gezeigt, dass die Vermittlerschaft mit einer Stimme spricht und nicht fragmentiert ist. Dass die Interessenvertretung des Berufsstands von mehreren Verbänden wahrgenommen wird, hat historische und zuweilen regionale Gründe. Dennoch gelingt es dem BVK, bei Schlüsselthemen immer wieder erfolgreich zu agieren. Wir erheben für uns den Anspruch, hier mit deutlicher Stimme für alle Versicherungsvermittler zu sprechen.

Stichwort Digitalisierung: Welche Defizite gibt es beim Thema Rechte und Pflichten zwischen stationärem und Onlinevertrieb?

Heinz: Vor ein paar Jahren hat der BVK per Gericht erfolgreich gegen das Internet-Vergleichsportal Check24 durchgesetzt, dass der Online-Vertrieb dieselben Informations- und Beratungspflichten gegenüber Verbrauchern erfüllen muss wie der stationäre Vertrieb. Es war zwar ein langer Weg, aber notwendig, um den neuen Playern zu zeigen, dass sie sich auch an dieselben Regeln zu halten haben wie die Versicherungsvermittler. Nach unserer Auffassung hat das Vergleichsportal aber daraus nichts gelernt, und wir meinen, dass es durch seine im vergangenen Jahr durchgeführten „Jubiläum Deals“ das gesetzliche Provisionsabgabeverbot verletzt. Dabei wurden Kunden Rabatte und Prämienerlasse bei einem Versicherungsabschluss versprochen. Deshalb haben wir wieder Klage erhoben, und am 26. November wird die erste mündliche Verhandlung am Landgericht München dazu stattfinden. Auch hier sehen wir den BVK als einen Vermittlerverband, der sich in Musterprozessen für alle stationären Vermittler starkmacht.

Nicht alle Digitalversicherer setzen auf den Direktvertrieb. Welche Perspektiven bieten sich hier für Vermittler durch eine mögliche Zusammenarbeit?

Heinz: Vermittler sollten die Chancen der Digitalisierung unternehmerisch nutzen und sie nicht als Bedrohung sehen. Denn das zeichnet doch Unternehmer aus: die Marktchancen neuer technischer Entwicklung erkennen und für die eigene unternehmerische Entwicklung einsetzen. So bieten Internet, soziale Medien und Kunden- sowie Maklerverwaltungsprogramme mannigfache Möglichkeiten der direkten und schnellen Kundenansprache, -verwaltung und -selektion. Ausgerüstet mit den modernen digitalen Tools, kann der stationäre Vertrieb gegenüber dem Online-Vertrieb mit einem entscheidenden Vorteil punkten. Seine Kunden können hybrid online und offline beraten werden. Dem Online-Vertrieb steht dagegen zumeist nur ein Weg des Kundenkontakts zur Verfügung. Daher gilt: Offline prägt Online.

Den Nachwuchsmangel haben Sie bereits angesprochen. Wie steuern Sie gegen?

Heinz: Wir müssen weiter daran arbeiten, das Image des Versicherungskaufmanns zu verbessern. Das hat der BVK in den vergangenen Jahren kontinuierlich getan, mit der Vereinsgründung der Ehrbaren Versicherungskaufleute VEVK. Wir haben ein neues, selbstbewusstes Berufsbild entworfen, das auf den Prinzipien des freien Unternehmertums, Qualifizierung und Ehrbarkeit beruht. Mit Kampagnen wie „Kein Vertrieb ohne Beratung“ wollen wir dem Nachwuchs signalisieren: Seht her, es ist befriedigend und erfüllend, Versicherungsvermittler zu werden, Kunden qualifiziert zu beraten und den Menschen zu helfen, sich abzusichern. Wir bauen darauf, dass sich die Einstellung zu unserem Beruf langsam positiv verändert. Dazu sprechen wir beispielsweise auf unseren Jahreshauptversammlungen auch Berufsschüler gezielt an und laden sie ein, sich ein persönliches und lebendiges Bild von unserem Verband und dem Beruf zu machen. Wir planen deshalb für nächstes Jahr eine flächendeckende Nachwuchsinitiative.

BVK

  • Berufsvertretung und Unternehmerverband der selbständigen Versicherungs- und Bausparkaufleute
  • Rund 12.500 hauptberufliche Einfirmenvertreter, Mehrfachvertreter und Makler sowie 56 Vertretervereinigungen mit rund 40.000 Mitgliedern
  • Zweck ist, die beruflichen, wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Belange des Berufsstands wahrzunehmen und zu fördern
  • Organisation: acht Regionalverbände und 60 Bezirksverbände

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