10.08.2020 Vermittlerwelt

Maklerpools befürchten keine Pleiten und kritisieren BdV-Studie

Die Chefs drei großer Maklerpools sehen die zukünftigen Herausforderungen für ihre Vertriebspartner weniger im Umgang mit verunsicherten Kunden oder angeschlagenen Versicherern, sondern in der nachhaltigen Änderung der Produktwelt. Der Versicherungsprofi hat mit ihnen gesprochen.

Die Analyse der Solvenzberichte deutscher Lebensversicherer entfachte eine gewaltige Diskussion. (Foto: © MQ-Illustrations - stock.adobe.com)
Die Analyse der Solvenzberichte deutscher Lebensversicherer entfachte eine gewaltige Diskussion.
(Foto: © MQ-Illustrations - stock.adobe.com)

Der Sturm hat sich gelegt, aber bleibt auch ein Schaden? Im Juli wirbelten Berichte der BILD über eine drohende Pleitewelle bei Deutschlands Lebensversicherern ordentlich Staub auf. Hintergrund war eine vom Bund der Versicherten (BdV) in Auftrag gegebene Studie, deren Ergebnisse vom GDV und mehreren Versicherern scharf zurückgewiesen wurden. Betroffen von dem Streit sind diejenigen, die zwischen den Lebensversicherern und den von vermeintlich toxischen Produkten betroffenen Kunden stehen – die Vermittler und Pools. Sie sind es, die erklären müssen, welche Befürchtungen gerechtfertigt sind und welche nicht. Ihre Unabhängigkeit und Beratungsstärke sind mehr denn je gefragt. Die Befragung mehrerer großer Maklerpools zeigt nun, dass diese die Positionen der Versicherungswirtschaft und des GDV weitgehend teilen. Auch wenn die Reaktionen weniger emotional ausfallen, unterstellen sie der BdV-Studie fragwürdige Methoden zur Durchsetzung eigener Interessen.

Pools stimmen in Kritik am BdV und der Studie mit ein

 

Beim Geschäftsführer des KAB Maklerservice, Klaus Bosle, stößt die Untersuchung auf wenig Gegenliebe. Für ihn ist klar, dass es im Wesentlichen den Aufsichtsbehörden obliegt, die Finanzkraft der Versicherungsgesellschaften genau zu beobachten, anstatt eines Analysehauses im Zusammenhang mit einem Auftraggeber, der eigene Interessen verfolgt. „Bei einer Solvenzquote, die im Mittel weit über dem von der Aufsicht geforderten Niveau liegt, sehen wir hier weder eine mangelnde Finanzkraft noch eine Pleitewelle bei den Lebensversicherungsgesellschaften auf die Branche zukommen.“ Die Verwendung einer eigenen Kennzahl (reine Solvenzquote) seitens der Studienmacher bewertet er kritisch. „Andere Studien beziehen bei der Beurteilung der Finanzstärke die Mindestzuführungsverordnung und die Zuführung zur Zinszusatzreserve oder auch die Gesamtertragsstärke der Gesellschaften mit ein und kommen zu positiveren Ergebnissen.“

Foto: Jung, DMS & Cie

Ich habe den Eindruck, dass der BdV mit Hilfe der Studie versucht, seine Abwehrhaltung gegen die Lebensversicherungsbranche wissenschaftlich zu legitimieren.

Dr. Sebastian Grabmaier, Vorstandsvorsitzender von Jung, DMS & Cie.

Dr. Sebastian Grabmaier ist Vorstandsvorsitzender von Jung, DMS & Cie. aus München. Er sagt: „Wir schließen uns der Meinung des GDV an, dass die Studie erhebliche handwerkliche Fehler hat und die Aussagen daher stark anzuzweifeln sind.“ In Summe erfüllten die Lebensversicherer die geforderten Solvenzquoten. „Ich habe den Eindruck, dass der BdV mit Hilfe der Studie versucht, seine Abwehrhaltung gegen die Lebensversicherungsbranche wissenschaftlich zu legitimieren“, so Grabmaier weiter. Das Unternehmen empfiehlt seinen Vermittlern einen Blick auf die neutralen Unternehmensratings, um die finanzielle Ausstattung eines Lebensversicherers zu beurteilen.

Für Rolf Schünemann, den Vorstandsvorsitzenden der BCA AG aus Oberursel, gilt das Prinzip Vorsicht beim Thema Solvabilitätsquoten. Unterschiedliche Berechnungsmodelle und Annahmen erschwerten einen Vergleich zwischen einzelnen Unternehmen. „Eine pauschale Risikobewertung der Branche ist alleine anhand der Solvabilität kaum möglich“, sagt Schünemann. Ungeachtet dessen ist der BCA-Chef überzeugt, dass die Versicherer mit den ihnen anvertrauten Kundengeldern verantwortungsvoll und sorgsam umgehen. „Ich halte die Behauptung der BdV-Studie, dass es reihenweise schlecht um die Kapitalausstattung der Versicherer hierzulande steht, für mehr als fraglich.“

Keine Sorgen um vermehrte Kündigungen

 

Eine nachhaltige Wirkung auf das Kundenverhalten befürchten die drei Poolchefs nicht. „Bisher gab es dazu bei uns keine Anfragen von Vermittlern, die Rat zur Unterstützung verunsicherter Kunden brauchen“, sagt Dr. Sebastian Grabmaier von Jung, DMS & Cie.. Auf keinen Fall sollten Kunden bestehende Lebensversicherungsverträge panisch kündigen. „Dafür bestehe absolut kein Grund.“ Ähnlich äußert sich BCA-Chef Schünemann: „Die bisherigen Rückmeldungen aus unseren Fachabteilungen lassen keine nennenswerte Verunsicherung bei Verbrauchern oder Maklerpartnern erkennen.” Das könne sich aber noch ändern, sollte sich das kontrovers ausgefochtene Thema über die Sommerpause hinweg vor allem in den einschlägigen Boulevardmedien weiter halten. Die KAB macht sich derweil wenig Sorgen und erwartet laut Geschäftsführer Klaus Bosle auch für 2020 eine erneute Umsatzsteigerung im Produktbereich Altersvorsorge/Biometrie. „Eine Verunsicherung der Kunden oder unserer Maklerkollegen sowie negative Auswirkungen von Covid-19 auf unseren Bestand sind zurzeit nicht erkennbar.“ Langfristig kämen vor dem Hintergrund einer weiteren Rechnungszinssenkung und einer sich verändernden Produktwelt mit dem Fokus auf fondsgebundene Versicherungspolicen aber größere Herausforderungen auf die Vermittler zu. Darin sind sich die drei Pool-Chefs einig.

Solvency II - darum geht es

Am 1. Januar 2016 ist das neue europäische Aufsichtsregime Solvency II in Kraft getreten. Die gesetzlich vorgeschriebenen jährlichen Solvenzberichte der Versicherer sollen die Finanzlage der Unternehmen für eine breite Öffentlichkeit transparent machen.

Die entsprechende Richtlinie führt weiterentwickelte Solvabilitätsanforderungen für Versicherer ein, denen eine ganzheitliche Risikobetrachtung zugrunde liegt, und stellt neue Bewertungsvorschriften hinsichtlich Vermögenswerten und Verbindlichkeiten auf, die künftig mit Marktwerten anzusetzen sind. Auf diese Weise soll das Risiko der Insolvenz eines Versicherers verringert werden. Gleichzeitig dient die Richtlinie der Harmonisierung des Aufsichtsrechts im europäischen Binnenmarkt. Den Kern von Solvency II bildet eine risikobasierte Eigenmittelausstattung.

Eine Solvenzquote von unter 100 bedeutet, dass das Unternehmen mutmaßlich in einer massiven Krise keine ausreichenden Eigenmittel hätte, um seine finanziellen Verpflichtungen gegenüber Kunden erfüllen zu können. In der Studie von BdV und Zielke Research trifft das auf 16 von 84 untersuchten Unternehmen zu. Darunter finden sich vier „Run-Off“-Unternehmen. Bei allen sei nur mit Übergangsmaßnahmen der Geschäftsbetrieb möglich.


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