20.12.2021 Vermittlerwelt

VOTUM-Brief an die EU: „Bitte verschieben“

Vermittler müssen zukünftig Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage bei ihrer Beratung berücksichtigen. Dafür geltende Regulierungsstandards sollen laut EU-Kommission aber erst Monate danach in Kraft treten. Für den Vermittlerverband VOTUM nicht machbar – auch die Beratungspflichten müssten deshalb verschoben werden.

Die Bürokratie in Sachen in Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage ist auf europäischer Ebene extrem komplex. Nun droht der ursprüngliche Zeitplan zu scheitern. (Foto: © Tinnakorn - stock.adobe.com)
Die Bürokratie in Sachen in Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage ist auf europäischer Ebene extrem komplex. Nun droht der ursprüngliche Zeitplan zu scheitern.
(Foto: © Tinnakorn - stock.adobe.com)

Der Vermittlerverband VOTUM fordert, das für August 2022 geplante Inkrafttreten der Abfragepflicht von Nachhaltigkeitspräferenzen im Beratungsprozess zu verschieben. Mit diesem Ansinnen hat sich nun VOTUM-Vorstand Martin Klein in einem offenen Brief an den innerhalb der Europäischen Kommission für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion zuständigen Generaldirektor John Berrigan gewandt.

Veränderte Reihenfolge funktioniert in der Praxis nicht

 

Hintergrund ist die Entscheidung der EU-Kommission, das Inkrafttreten der technischen Regulierungsstandards (RTS) für die Bestimmung der Nachhaltigkeitsfaktoren und der diesbezüglichen verpflichtenden Berichterstattung für Unternehmen auf den 1. Januar 2023 zu verschieben. „Durch die erneute Verschiebung der RTS um ein Jahr ist diese sinnvoll aufeinander aufbauende Gesetzgebung komplett auf den Kopf gestellt worden“, so Klein in seinem Brief an die Kommission. „Jetzt tritt erst die Beratungspflicht zur Nachhaltigkeit in Kraft und dann erst mehrere Monate später die verbindlichen technischen Standards für die Taxonomie (EU-Regelwerk für nachhaltiges Investieren und Anlegen, d. Red.) und der Berichterstattung zu den Nachhaltigkeitsfaktoren. Das funktioniert in der Praxis nicht.“ Die Kommission könne schlicht und ergreifend nicht am aktuell geplanten Start der Nachfragepflicht im Beratungsprozess festhalten.

Kommission braucht für Annahme der Regulierungsstandards mehr Zeit

 

Die jüngsten Entwürfe für die RTS, die der Kommission von den drei Europäischen Aufsichtsbehörden am 22. Oktober 2021 vorgelegt worden waren, konnte diese laut einem Schreiben ans Parlament und dem Ecofin (Rat für Wirtschaft und Finanzen) nicht innerhalb der vorgesehenen Dreimonatsfrist annehmen. Der Grund: Die Präzisierungen zur EU-Offenlegungsverordnung seien sehr lang und technisch detailliert. Daher werde für das Annahmeverfahren mehr Zeit benötigt. Der ursprüngliche Ablaufplan der erforderlichen Gesetze zur Umsetzung der Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage sah vor, dass die RTS bereits zum 1. Januar 2022 in Kraft treten sollen, also acht Monate vor Beginn der neuen Beratungspflicht.

Jetzt tritt erst die Beratungspflicht zur Nachhaltigkeit in Kraft und dann erst mehrere Monate später die verbindlichen technischen Standards für die Taxonomie  und der Berichterstattung zu den Nachhaltig­keits­faktoren. Das funktioniert in der Praxis nicht.

Martin Klein, geschäftsführender Vorstand VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e.V.

Unsicherheit und Haftungsrisiken auf Seiten der Vermittler

 

Doch die Standards zu Inhalten, Methoden und Darstellung wird es nicht rechtzeitig geben. Und ohne Regulierungsrahmen sieht Klein, der auch Vorsitzender des europäischen Dachverbands der Anlageberater FECIF ist, erhebliche Probleme auf die Vermittler zukommen. Er verweist auf entsprechende Verordnungen, nach denen die betroffenen Berater nicht nur verpflichtet seien, die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden festzustellen, sondern darüber hinaus ein gesetzliches Verbot bestehe, dem Kunden ein Produkt zu empfehlen, welches nicht seinen Nachhaltigkeitspräferenzen entspricht. „Die Unternehmen und Vermittler haften für die von ihnen erteilten Empfehlungen in der Versicherungs- und Anlageberatung“, so Klein. „Eine rechtssichere Produktempfehlung im Anschluss an die Ermittlung der Nachhaltigkeitspräferenzen kann nur dann erteilt werden, wenn verbindliche technische Regulierungsstandards bestehen – und genau diese werden am 2. August 2022 nun fehlen.“ Der Branchenverband verlangt daher zur Wiederherstellung von Rechtssicherheit im Vermittlungsgeschäft die Vertagung der Einführung der neuen IDD-Richtlinie ebenfalls um ein Jahr bis 2. August 2023.  „Ich kann an meine Branchenkollegen nur appellieren, sich ebenso für diese Forderung stark zu machen“, fordert Klein.


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