Zwei Drittel der Vermittler fragen Nachhaltigkeitspräferenz ihrer Kunden ab
Nach einer aktuellen Umfrage der Brancheninitiative GSN und des Vermittlerverbands BVK bestehen weiterhin „Informationsdefizite und Unsicherheiten am Markt“ im Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit. Tatsächlich sind die Ergebnisse sehr heterogen. Viele handeln aus Überzeugung, andere aus Zwang.
Seit Anfang August sind alle Versicherungsvermittler in der EU dazu verpflichtet, Kunden nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen. Die Einführung war begleitet von großen Diskussionen und Unsicherheiten über die konkrete Umsetzung. Eine Online-Umfrage der vom Beratungsunternehmen Vers Leipzig ins Leben gerufenen Brancheninitiative German Sustainability Network (GSN) und des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) gibt nun ein erstes Lagebild, wie Vermittler mit den neuen Pflichten und Anforderungen umgehen. Daran beteiligten sich im September rund 200 Vermittler, vor allem von Ausschließlichkeitsorganisationen, die 17 Fragen zu Interesse, Alltagsrelevanz, Qualifikation und Status Quo der Nachhaltigkeitsberatung beantworten sollten.
Mehrheit setzt die neuen Regeln schon um
Wichtigstes Ergebnis: 66 Prozent der Befragten erklären, die vorgeschriebene Nachhaltigkeitspräferenzabfrage in den vergangenen vier Wochen bereits angewendet zu haben. 61 Prozent taten dies nach eigenem Bekunden „ein- bis zehnmal“. Fünf Prozent nennen sogar „11- bis 50-mal“. Allerdings geben auch 25 Prozent an, noch nicht mit der Abfrage begonnen zu haben, neun Prozent machen hierzu keine Angaben. Besonders interessant sind die persönlichen Einstellungen Vermittler: Während sich 33 Prozent mit Neugierde dem Thema Nachhaltigkeit nähern, stimmen 19 Prozent dem nicht zu. Mehr als jeder Vierte fühlt sich sogar dazu gezwungen, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen.
Geringes Interesse der Kunden, aber auch wenig Wissen
Unterdessen scheinen Interesse und Erwartungen der Kunden an die Vermittlerschaft in Sachen Nachhaltigkeit unverändert gering zu sein. Der Befragung zur Folge wurden zwei von drei Befragten in den vergangenen Wochen überhaupt nicht von Kunden auf Nachhaltigkeitsaspekte angesprochen, lediglich bei drei Prozent der Vermittler war dies häufig der Fall. Nach Einschätzung der Vermittler kennt die deutliche Mehrheit der Kunden (78 Prozent) ihre Nachhaltigkeitspräferenzen nicht. 74 Prozent wissen demnach auch nicht, was ESG bedeutet, also die Berücksichtigung von Kriterien aus den Bereich Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance). Außerdem würden 69 Prozent der Kunden die Priorität nicht bei Nachhaltigkeit setzen, sondern bei Aussagen zu Rendite, Sicherheit und Liquidität. Immerhin 79 Prozent vertrauen nach Auffassung der Vermittler auf deren Aussagen zu der Nachhaltigkeit von Produkten und Anbietern.
Nachholbedarf in Sachen Informationen und Handlungshilfen
Weitere Ergebnisse: 59 Prozent der befragten Vermittler geben an, vollständig oder grundlegend zu Inhalten und Zielen der Regulatorik informiert zu sein, 37 Prozent hingegen noch wenig bis gar nicht. Ähnlich sieht es mit Kenntnisstand zu den Zielen der Regulatorik aus. Umfassende Informationen und Handlungshilfen erwarten Vermittler vor allem von Produktgebern (75 Prozent). Dahinter folgen mit Abstand Aufsichtsbehörden (BaFin, IHKen) mit 38 Prozent, Berufsverbände (37 Prozent) sowie Pools und Dienstleister (30 Prozent). Die am Markt momentan verwendeten Abfragetools werden von 69 Prozent der Befragten als überwiegend ungeeignet bewertet. 78 Prozent der Vermittler fühlen sich zudem davon gestört, unterschiedliche Abfragelogiken verwenden zu müssen.
Bild einer unsicheren Branche
Zu den Umfrage-Ergebnissen sagt Timo Biskop, GSN-Fokusbereichsleiter und Head of Sales der Vers Leipzig GmbH: „Die aktuelle Blitzumfrage untermauert weiterhin das Bild einer unsicheren Branche und zeigt dringende Verbesserungsnotwendigkeiten auf. Dies betrifft allem voran die Aufklärungsarbeit zum Thema Nachhaltigkeit. Denn die Qualifikation und Motivation der Vermittler wird entscheidend für den Markterfolg nachhaltiger Produkte sein. Darüber hinaus müssen die regulatorischen Mindestanforderungen unbedingt eingehalten werden.“ BVK-Präsident Michael H. Heinz ergänzt: „Die Umfrage zeigt, dass noch viel zu tun ist, bis die Umsetzungsfähigkeit der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage sichergestellt ist. Gelingt es, den Blick auf die Chancen einer aktiven Umsetzung von Nachhaltigkeitsaspekten für Vermittlerbetriebe zu schärfen, wäre mehr gewonnen, als jede weitere Regulierung bewirken könnte.“