EIOPA-Leitlinien sollen Nachhaltigkeitsberatung regeln
Ab August müssen Kunden in der Beratung über ihre Nachhaltigkeitspräferenzen befragt werden. Der Startzeitpunkt könnte noch ins Wanken geraten. Dennoch hat die europäische Versicherungsaufsicht nun einen Entwurf für Leitlinien vorgelegt, die Versicherern und Vermittlern helfen sollen, regelkonform den Vertrieb zu gestalten.
Versicherungsvermittler müssen ab dem 2. August 2022 ihre Kunden nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen fragen und diese in die Produktauswahl und Beratung einbeziehen. So will es die Europäische Kommission. Hintergrund sind Ergänzungen und Änderungen wesentlicher Artikel der beiden delegierten Verordnungen (EU) 2017/2358 und (EU) 2017/2359 zur EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD).
Die Regulierungsänderungen sind Folge des Pariser Klimaabkommens, des „Green Deal“ der EU sowie des Aktionsplans „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“. Ziel ist es, private Finanzmittel für den Übergang zu einer CO2-armen, nachhaltigeren und ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft umzulenken.
Diskussion um Startzeitpunkt des neuen Regelwerks
Der Startzeitpunkt im August hatte in der jüngeren Vergangenheit immer wieder zu Kontroversen geführt. Denn die technischen Regulierungsstandards (RTS) zur einheitlichen und allgemeinverbindlichen Bestimmung der Nachhaltigkeitsfaktoren und der diesbezüglich verpflichtenden Berichterstattung für Unternehmen sollen per EU-Rechtsakt erst danach, am 1. Januar 2023, in Kraft treten. Das ist exakt ein Jahr später, als es der ursprüngliche Ablaufplan für die erforderlichen Gesetze und Verordnungen zur Umsetzung der Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage vorsah. Der Grund: Die Präzisierungen zur EU-Offenlegungsverordnung seien sehr lang und technisch detailliert. Daher benötige die Kommission mehr Zeit. Diese verkehrte Reihenfolge könnte Haftungsprobleme nach sich ziehen, wie zum Beispiel der deutsche Vermittlerverband Votum vor einiger Zeit monierte. Nun rechnen Experten damit, dass die Beratungspflicht auch nach hinten geschoben wird.
EIOPA stellt sieben Leitlinien vor
Davon gibt sich die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) unbeeindruckt. Sie hat nun Leitlinien vorgestellt, die sichern sollen, dass Versicherer und Vertrieb künftig rechtskonform beraten und vermitteln. Kurz gefasst lauten die Vorschläge der EIOPA folgendermaßen:
- Information des Kunden über Zweck und Umfang des Eignungstests in Bezug auf Nachhaltigkeit. Weil Nachhaltigkeitspräferenzen ein „neues Konzept“ sind, sind Versicherer und Vermittler angehalten, dem Kunden klar, prägnant und verständlich zu erklären, worum es geht.
- Einholung der Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden.
- Prüfung/Aktualisierung der Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden und wann sie (wieder) vorgenommen werden soll.
- Erhebung von Informationen zu den Nachhaltigkeitsmerkmalen von Versicherungsanlageprodukten zwecks Prüfung, ob Produkt(e) und Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden zusammenpassen.
- Sicherstellung der Eignung eines Versicherungsanlageprodukts. Hier geht es darum, dass Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden erst erfragt werden, wenn die Produkteignung auf andere Aspekte hin (Wissen und Erfahrung, Finanzsituation und andere Investmentziele des Kunden) geprüft wurde. Wenn im ersten Schritt die Palette geeigneter Produkte eingegrenzt worden ist, soll im zweiten jenes Produkt gewählt werden, das alle Kundenpräferenzen, einschließlich Nachhaltigkeit, erfüllt.
- Dokumentationspflichten in Bezug auf die „Anpassung“ von Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden, wenn kein vorhandenes Versicherungsanlageprodukt dieselben erfüllt.
- Von den bei Versicherern und Vermittlern Beschäftigten werden Wissen und Kompetenz, die Nachhaltigkeitspräferenzen von Kunden zu prüfen und diesen die entsprechenden Erklärungen zu geben, eingefordert.
Schwierige Implementierung in Deutschland
Das Ganze ist zunächst nur ein Entwurf. Interessengruppen können bis zum 13. Mai per Online-Umfrage Feedback zu dem Konsultationspapier geben, indem sie die Fragen über eine Online-Umfrage beantworten. Die Leitlinien sollen zügig, noch vor dem 2. August, in Kraft treten und dienen als Empfehlung an die nationalen Aufsichtsbehörden, diese zu übernehmen. Für Deutschland wirft das erneut das Problem auf, dass es nicht die eine Aufsichtsbehörde gibt. Denn die BaFin ist zwar Mitglied der EIOPA, aber nur für die Versicherer und indirekt für deren erlaubnisfreien Vertreter zuständig. Parallel müssten 16 Landeswirtschaftsministerien diese Leitlinien ebenfalls implementieren und dafür sorgen, dass die unter ihrer Rechtsaufsicht stehenden 79 Industrie- und Handelskammern das Gleiche tun.
Das 39 Seiten umfassende Konsultationspapier kann von der Website der EIOPA auf Englisch heruntergeladen werden. Dort steht auch, wie Stellungnahmen einzureichen sind.