07.11.2022 Branche

BaFin wird zum Dauermahner der Versicherungsbranche

Zum Auftakt der BaFin-Jahreskonferenz hat Chefaufseher Frank Grund die Versicherer abermals aufgefordert, die Prämien aufgrund der Inflation anzuheben und ihre Rückstellungen für Schäden zu erhöhen. 2023 werde ein schwieriges Jahr für die Branche.

Frank Grund ist Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. (Foto: © Bernd Roselieb / BaFin )
Frank Grund ist Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.
(Foto: © Bernd Roselieb / BaFin )

Nach den Aussagen im Vorfeld dürfte diese Rede keine große Überraschung gewesen sein. Zum Auftakt der Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht vergangene Woche in Bonn, knöpfte sich Exekutivdirektor Dr. Frank Grund einmal mehr die Versicherungswirtschaft vor. Geopolitik, Pandemie, Inflation, Zinswende: Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen mahnte Grund die Versicherungsbranche, ausreichende Puffer bei Kapital und Liquidität zu schaffen. „Versicherer müssen ihr Geschäft sturmfest machen“, sagte er in seiner Eröffnungsrede vor rund 500 Teilnehmern. Zwar gehe es der Versicherungsbranche derzeit noch gut, allerdings bewege sich die Branche in einem Umfeld, das wahrlich nicht ermutigend sei. Für die Aufsicht stehe fest: Auch wenn 2022 noch ganz ordentlich ausfallen dürfte, werde 2023 ein schwieriges Jahr. „Die Unternehmen müssen daher bereits jetzt umsichtig agieren“, so Grund.

Prämiensteigerungen in der Schaden- und Unfallversicherung zwingend

 

Was dies im Einzelnen bedeutet, erläuterte der oberste Versicherungsaufseher am Beispiel der Schaden- und Unfallversicherer. Diese müssten aufgrund der steigenden Inflation bestehende Rückstellungen gegebenenfalls bereits in diesem Jahr erhöhen. „Aus Sicht der BaFin ist es nicht akzeptabel, lediglich darauf zu wetten, dass sich die hohen Inflationsraten normalisieren und in der Zwischenzeit bestehende Puffer in den Reserven restlos aufzubrauchen“, stellte Grund klar. Zudem müssten die Versicherer bei ihrer Tarifierung künftige Schadenentwicklungen berücksichtigen. Mit anderen Worten: Weil die Versicherer auch immer mehr für Schäden und damit verbundene Dienstleistungen ausgeben, sollen sie die Beiträge entsprechend anheben. Nach Einschätzung von Grund werde die gestiegene Inflation im Jahr 2023 „zwingend höhere Beiträge in der Schaden- und Unfallversicherung nach sich ziehen. Vor allem dürfte das die Wohngebäude- und Kraftfahrtversicherung betreffen, sowohl für das Neu- als auch das Bestandsgeschäft. Dementsprechend warnte Grund die Branche auch vor Rabattschlachten. Die Versicherer sollten „keine Kompromisse bei den Preisen eingehen, um Kunden zu halten.“

Lebensversicherer profitieren weitgehend von der Zinswende

 

Der Lebensversicherung wiederum kommt der jüngste Anstieg des Zinsniveaus nach Jahren extremer Niedrigzinsen zupass. „Viele von ihnen können nun von einer höheren Verzinsung von Vermögenswerten profitieren und ihre Ertragskraft steigern“, sagte Grund. Dafür sänken durch die fallenden Kurse der festverzinslichen Wertpapiere die stillen Reserven, es würden stille Lasten aufgebaut. Positiv hätten sich die gestiegenen Zinsen im ersten Halbjahr auf die Solvenzquoten der Lebensversicherer ausgewirkt. „Erstmals hatten wir per 30. Juni kein Lebensversicherungsunternehmen unterdeckt – auch nicht ohne Übergangsmaßnahmen“, berichtete Grund zur Situation zum Ende des ersten Halbjahres. Auch werden die Unternehmen bei der Zinszusatzreserve entlastet, jenem Kapitalpuffer, der zur Absicherung von Garantiezusagen an Kunden angespart werden muss. Unmittelbar vor der Veranstaltung hatte seine Behörde ein „Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ veröffentlicht, das viel Aufsehen erregte. Klar ist demnach, dass die Vertriebsvergütung auf der Agenda der Behörde bleibt, auch wenn der ursprünglich angedachte Provisionsrichtwert so nicht eingeführt wird.

Weniger Pensionskassen unter Beobachtung, aber keine Entwarnung

 

Auch bei den seit langem gebeutelten Pensionskassen sieht Grund einen positiven Trend. „Wir beaufsichtigen daher nur noch gut 30 Pensionskassen besonders intensiv und nicht mehr rund 40.“ Entwarnung könne er jedoch nicht geben. So müssten viele der Einrichtungen ihren Rechnungszins weiter senken. „Bei einigen Kassen haben wir die Sorge, dass die bereits ergriffenen Maßnahmen - ohne weitere externe Mittel - möglicherweise nicht ausreichen, um die garantierten Leistungen dauerhaft erbringen zu können.“ Der BaFin-Exekutivdirektor erwarte aber nicht, dass größere Pensionskassen die Leistungen für ihre Kunden kürzen müssten.

 


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