Kommt jetzt die Versicherungspflicht gegen Elementarschäden?
Lange war es ein Tabu-Thema. Angesichts der verheerenden finanziellen Folgen der aktuellen Unwetterkatastrophe werden Forderungen nach einer obligatorischen Elementarschadenversicherung nun aber wieder laut. Doch auch wegen der hohen Kosten für Verbraucher findet die Idee nicht nur Zustimmung.
Die Bilder von den Überschwemmungsschäden in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gleichen einem Inferno. Tausende Menschen haben quasi über Nacht ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Auf die Flutkatastrophe folgte aber auch eine Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität. Unzählige Menschen packten mit an, um die betroffenen Regionen und Häuser von Schlamm und Unrat zu befreien. Bauern und Bauunternehmen halfen mit schwerem Gerät. Gleichzeitig wurden innerhalb kürzester Zeit riesige Mengen Sachspenden an die mittellosen Bedürftigen verteilt.
Einflussreiche Justizminister machen Druck
Indes werden sich das tatsächliche finanzielle Ausmaß der Katastrophe und die Kosten für den Wiederaufbau wohl erst in den nächsten Wochen offenbaren. Schon jetzt ist klar, dass es nicht ohne staatliche Unterstützung geht. Bundesfinanzminister Olaf Scholz geht davon aus, dass als Soforthilfe für die Überschwemmungsgebiete ein dreistelliger Millionenbetrag nötig sein wird. Eine besondere finanzielle Last droht insbesondere jenen Betroffenen, deren Häuser sich aufgrund ihrer Lage kaum oder nur teuer gegen schwere Naturereignisse (Elementarschäden) versichern ließen.
Ein Weg aus diesem Dilemma könnte eine solidarische Versicherungspflicht sein – ähnlich wie bei der Krankenversicherung oder der Kfz-Haftpflicht. Dafür spricht sich Nordrhein-Westfalens Justizminister Peter Biesenbach aus, der auch Vorsitzender der Justizministerkonferenz der Länder ist. Gegenüber dem MDR kündigte er an, bei der nächsten Sitzung der Justizminister im November einen entsprechenden Vorschlag zu machen. „Ich werde das Bundesjustizministerium bitten, uns einen Bericht über deren Auffassung zu erstellen, und ich glaube, dass es dann Gegenstand der Justizministerkonferenz wird”, sagt er. Rückendeckung gibt es aus Sachsen-Anhalt. Auch der dortige kommissarische Justizminister Rainer Robra plädiert für eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden, erklärt sein Sprecher. Die Pflichtversicherung könne durchaus ein Thema einer kommenden Justizministerkonferenz werden.
Klimawandel als wissenschaftliches Argument
Die Forderung nach einer Versicherungspflicht – etwa nach dem Vorbild Frankreichs und Belgiens – ist nicht neu. Vor allem nach dem Hochwasser von 2013 kam sie auf, wurde später jedoch wegen verfassungsrechtlicher Bedenken verworfen. Auch eine indirekte Versicherungspflicht wurde nie realisiert. Sie sah vor, dass es Staatshilfen nur für diejenigen geben solle, die sich um Elementar-Schutz bemüht haben. Angesichts der jüngsten Überschwemmungen ist das Thema wieder top-aktuell, zumal eine Versicherungspflicht auch Menschen in Hochrisikoschutzgebieten erfassen würde. So fordert auch Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig eine Versicherungspflicht: „Weil die Katastrophalität des Problems bislang nicht erkannt ist, weil wir noch immer denken, das Problem Überschwemmung sei ein Problem der Leute am Fluss.“ Hagel, Regen, Sturm könnten aber jeden treffen, sagt Schwarze. Er fordert jedoch mindestens eine gesamtdeutsche Lösung, damit es politisch und versicherungsökonomisch tragbar sei.
Merkel skeptisch, Verbraucherzentrale für Opt-Out-Lösung
Dagegen spricht sich Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Vernehmen nach offenbar gegen eine solche Pflicht aus und verweist auf die unverhältnismäßig hohen Prämien für Menschen in Risikogebieten. Zwar lehnt auch der Verbraucherzentrale Bundesverband eine unmittelbare Pflichtversicherung wegen des Eingriffs in die Grundrechte ab. Der Verband fordert jedoch, dass das Prinzip der Allgefahrendeckung unverzüglich im Gesetz verankert werden müsse. Damit hätten Verbraucher das Recht, ihre Häuser zunächst gegen alle Risiken abzusichern. Sie können aber auch einzelne Risiken abwählen.