PKV-Verband: Scharfe Kritik an Steuerzuschüssen in der GKV
Das gesetzliche Gesundheitssystem wird immer defizitärer. Kostentreiber ist jedoch nicht Corona, sondern die demografische Entwicklung. Der PKV-Verband warnt deshalb vor dauerhaften Milliardenzuschüssen auf Kosten der Steuerzahler – und zum Nachteil der privaten Krankenversicherer.
Die Zahlen sprechen für sich: Allein im letzten Jahr musste der Bund die gesetzlichen Krankenkassen wegen der pandemiebedingten Belastungen mit zusätzlich 3,5 Milliarden Euro bezuschussen. Insgesamt betrugen die Zuwendungen rund 18 Milliarden Euro. Laut „Handelsblatt“ sind fürs laufende Jahr sogar fünf Milliarden Euro als Sonderzuschuss eingeplant – insgesamt werden also rund 20 Milliarden Euro an Steuergeldern ins GKV-System fließen.
Staatsgelder übertünchen strukturelle Probleme der GKV-Finanzierung
Dem Verband der Privaten Krankenkassen missfällt diese Entwicklung – zumal die Zusatzausgaben nach GKV-Angaben tatsächlich nur zu rund 20 Prozent pandemiebedingt seien. „Aktuell sehen wir mit Sorge die politische Tendenz, im Windschatten der Corona-Krise viele zusätzliche Milliarden Euro als Bundeszuschuss in die GKV zu schieben – und zwar auf Dauer, nicht nur während der Pandemie“, erklärt PKV-Direktor Florian Reuther. Reuther warnt insbesondere vor einer zusätzlichen Staatsverschuldung und höheren Steuern. Es drohe eine Versorgung nach Kassenlage – in Konkurrenz zu anderen wichtigen Zielen wie Klimaschutz oder Digitalisierung. „Die Gesundheitsversorgung gerät in Abhängigkeit des Finanzministers“, so Reuther. Überdies würde der Wettbewerb zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung „massiv verzerrt“. Die Lasten der aktuellen Gesundheitsausgaben würden somit nur verschoben und den nachfolgenden Generationen auferlegt.
Demografische Entwicklung könnte Defizit auf 80 Milliarden Euro schrauben
Das Wissenschaftliche Institut der PKV (WIP) hat in diesem Zusammenhang die Folgen der demografischen Veränderungen für die GKV errechnet. Demnach müsste der Bundeszuschuss bei gleichbleibenden Beitragssätzen allein durch die Demografie bis 2030 bereits auf 30 Milliarden Euro im Jahr erhöht werden. Hinzu kämen weitere 50 Milliarden Euro bedingt durch die stetig wachsenden Gesundheitsausgaben für die alternde Bevölkerung. Insgesamt müsste der Bund im Jahr 2030 rund 83 Milliarden Euro locker machen, um die GKV-Beitragssätze stabil zu halten. Das wäre mehr als das Vierfache der Rekord-Zuschüsse in diesem Jahr.
Die Forderung des WIP: „Dauerhaft höhere Steuerzuschüsse dürfen dafür nicht die Lösung sein, denn sie würden die ohnehin schon intransparente Finanzierungsstruktur noch ausweiten.“ Die Wissenschaftler ergänzen: „Mit steigender Steuerfinanzierung schwindet mehr und mehr der grundlegende Vorteil einer haushaltspolitisch weitgehend unabhängigen GKV. Für GKV-Versicherte werden die tatsächlichen Kosten ihres Krankheitsrisikos durch die mangelnde Transparenz verschleiert. GKV-Versicherten muss also klar sein, dass die finanzielle Schieflage der GKV weiterhin existiert und es über kurz oder lang erneute Diskussionen über Beitragssatzerhöhungen oder gar noch unpopulärere Leistungskürzungen geben wird.“ Zudem benachteilige die Steuerfinanzierung die private Krankenversicherung, die keine Zuschüsse erhalte, obwohl die PKV-Versicherten laut Berechnungen des Wirtschaftsinstituts RWI ohnehin überproportional zu den Steuerzuschüssen an die GKV beitragen.
Bundesrechnungshof fordert mehr Transparenz
Kritik am derzeitigen System übt indes auch der Bundesrechnungshof, der sich insbesondere für mehr Transparenz in der GKV-Finanzierung stark macht. Statt einer pauschalen Abgeltung versicherungsfremder Leistungen sei eine „gesetzlich näher bestimmte und besser nachvollziehbare Berechnungsgrundlage“ für den Bundeszuschuss an die GKV nötig, heißt es in einem Bericht des Bundesrechnungshofs, der dem „Handelsblatt” vorliegt.