Signal Iduna: Kleine Probleme, große Ziele
Die Signal Iduna rechnet 2024 erneut mit einem Rekordergebnis im Vertrieb. Auch mithilfe von Künstlicher Intelligenz will der Versicherer mit Sitz in Dortmund und Hamburg sich und seine Vertriebsorganisation zukunftsfest machen. Die Insolvenz des österreichischen Immobilenkonzerns Signa, die auch zum Baustopp des Prestigeobjekts Elbtower in Hamburg geführt hat, stellt wohl kein größeres Risiko für die Bilanz dar.
Nicht alle Ziele der Konzernstrategie „Vision 2023“ wurden erreicht, doch insgesamt läuft es recht gut für die Signal Iduna Versicherungsgruppe: Das Beitragswachstum lag im vergangenen Jahr mit 2,8 Prozent erneut deutlich über dem Branchenschnitt (0,6 Prozent). Der Vertrieb hat – abgesehen vom Ausnahmejahr 2004, als die Steuerfreiheit für neu abgeschlossene Lebensversicherungen auslief – das vierte Jahr in Folge ein Rekordergebnis eingefahren. Und der rechnungsmäßige Überschuss der Versicherungsgruppe mit Sitz in Dortmund und Hamburg überstieg mit mehr als 800 Millionen Euro die selbstgesteckte Vorgabe von 760 Millionen Euro klar. „Die angepeilten sieben Milliarden Euro Beitragseinnahmen haben wir allerdings noch nicht geschafft“, räumte der Vorstandsvorsitzende Ulrich Leitermann in einem Pressegespräch ein. „Wir sind aber vertrieblich stark ins neue Jahr gestartet. 2024 werden wir die Marke überschreiten.“ Detaillierte Zahlen zu den einzelnen Versicherungssparten wird die Signal Iduna bei Vorlage der Bilanz Anfang Juni veröffentlichen.
Der Transformationsprozess geht weiter
Mitte des Jahres dürfte auch die neue Konzernstrategie bis 2030 stehen. „Wir befinden uns weiterhin in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Für uns als Zielgruppenversicherer geht es darum, noch agiler und konsequenter Kundenwünsche optimal in unseren Prozessen und Produkten abzubilden“, sagt Leitermann. Das gelingt noch nicht in dem Maße, wie sich das der ehrgeizige und zielorientierte Top-Manager vorstellt. Bei der Weiterempfehlungsquote ist die Signal Iduna weit entfernt von ihrer eigenen Zielvorgabe, unter den Top-5 zu landen. „Für einen Serviceanbieter muss das möglich sein“, sagt Leitermann – eine klare Ansage an die Führungsriege in Dortmund und Hamburg.
Zwei Pilotprojekte mit Künstlicher Intelligenz von Google
Mittelfristig helfen könnte hier der Einsatz generativer Künstlicher Intelligenz (KI). Während die Open AI-Lösung Chat GTP aus datenschutzrechtlichen Gründen für Signal Iduna tabu ist, setzt das Unternehmen auf die Software Gemini ihres Kooperationspartners Google. In zwei Pilotprojekten werden aktuell Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Umgang mit KI herangeführt. Bei einem Projekt gehe es um das Thema Chatbot. Der Umgang mit technischen Dialogsystemen, die künftig für die automatisierte Bearbeitung von komplexen Kundenanfragen zum Einsatz kommen, solle zunächst intern geübt werden.
Suche in Tarifwerken deutlich schneller
Das zweite Projekt beschäftigt sich mit Wissensassistenz im Bereich der Krankenversicherung. „Aufgrund unserer Firmenhistorie haben es unsere Mitarbeiter mit rund 1000 unterschiedlichen Tarifen zu tun“, sagt Leitermann. Konkrete Deckungsanfragen lassen sich mithilfe smarter Tools schnell und verlässlich beantworten. „Wo unsere Mitarbeiter mitunter 15 Minuten benötigen, um die entsprechenden Tarifdetails in den Vertragswerken zu finden, liefert die KI in wenigen Sekunden das Ergebnis“, sagt Leitermann.
Keine Kündigung wegen Einführung von Künstlicher Intelligenz
Befürchtungen des Betriebsrats, die Implementierung Künstlicher Intelligenz könne zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führen, teilt der Konzernchef nicht – und hat einer betrieblichen Vereinbarung zugestimmt, die fünf Jahre lang Kündigungen wegen des Einsatzes von KI ausschließt. „KI wird uns helfen, eine zunehmende Zahl von Kundenanfragen mit der gleichen Anzahl von Mitarbeitern zu bewältigen, Mehrarbeit abzubauen und das wachsende Problem des Fachkräftemangels zumindest teilweise zu lösen“, sagt Leitermann. „Uns brechen demografisch bedingt pro Jahr durchschnittlich 250 Mitarbeiter weg.“
Rüffel von der Finanzaufsicht
Die Investitionen in IT-Anwendungen und IT-Struktur bezifferte der Vorstandsvorsitzende auf jährlich zwischen 50 und 100 Millionen Euro. Ein Teil des Geldes fließt in die Neuordnung der IT-bezogenen Geschäftsorganisation, die im vergangenen Jahr von der BaFin beanstandet wurde. Die Finanzaufsichtsbehörde hatte den Versicherer daraufhin mit einem Kapitalaufschlag auf die Eigenmittelausstattung belegt. „Es geht um das Berechtigungsmanagement, wer auf welche Daten Zugriff hat. Ein Problem, dass sich durch die ganze Versicherungswirtschaft zieht. Bis Mitte des Jahres haben wir das Thema abgeräumt“, so Leitermann.
Aggressive Abwerbungen im Vertrieb – Wettbewerber sind mit dickem Geldbeutel unterwegs
Der Kampf um die besten Talente hat dagegen gerade erst begonnen – und wird immer aggressiver. Das gilt insbesondere im Vertrieb. „Einige Mitbewerber laufen bei unseren Agenturen mit dickem Geldbeutel herum und kaufen Personal ein“, berichtet Leitermann. „Wir investieren lieber in den eigenen Nachwuchs.“ Die Ausschließlichkeits-Organisation (AO) der Signal Iduna ist rund 2.800 Agenturen stark. Der Trend gehe dabei zu größeren Unternehmeragenturen, die profitabler arbeiten als Einzelkämpfer. Leitermann: „Heute machen wir mehr Geschäft als früher mit 4.000 Agenturen.“
Krankenstand und höheres Schadenaufkommen bereiten Probleme
Indes ist Konzernchef Leitermann noch immer etwas verstimmt über den Verband Selbstständiger Versicherungskaufleute der Signal Iduna Gruppe. Die Vertretervereinigung hatte Ende 2023 öffentlich eine deutliche Unzufriedenheit des Vertriebs mit der Erreichbarkeit und der Vorgangsbearbeitung in den zuständigen Abteilungen öffentlich gemacht. In der Sache war die Kritik gerechtfertigt. Der große Krankenstand und ein massiver Anstieg bei Schadensmeldungen und Leistungsausgaben hätten, so Leitermann, zu den Rückständen bei der Sachbearbeitung geführt. Auch mithilfe externer Dienstleister und einer besseren Steuerung des Personals „werden wir bis April alles im Griff haben. Aber Probleme löst man eigentlich in der Familie“, kritisierte Leitermann.
Pleite der Signa-Gruppe birgt nur geringe Risiken
Keine größeren Sorgen bereit der Signal Iduna die Insolvenz der österreichischen Immobiliengruppe Signa. Das finanzielle Engagement ist mit 940 Millionen Euro zwar durchaus beachtlich – bezogen auf das gesamte Immobilien-Portfolio von vier Milliarden Euro sind das immerhin rund 25 Prozent. Allerdings seien rund 80 Prozent des Buchwerts erstrangig im Grundbuch besichert. Dabei handelt es sich um das Alsterhaus in Hamburg, das Oberpolliger in München und einen Kaufhof am Standort Köln. Alles Immobilien in 1-A-Lage, die seit Jahren schon gute Renditen abgeworfen hätten: „Was will man finanzieren, wenn nicht solche Objekte. Da kann ich ruhig schlafen.“ Die Abschreibungen im Zusammenhang mit der Signa-Pleite dürften sich in einem niedrigen dreistelligen Millionenbereich bewegen.
Elbtower-Baustopp: Kein Geld von der Signal Iduna
Auch das mit rund 50 Millionen Euro vergleichsweise bescheidene Engagement im Hamburger Elbtower-Projekt ist grundbuchrechtlich abgesichert. Das Hochhaus ist mit 245 Metern als dritthöchster Wolkenkratzer Deutschlands geplant. 100 Meter sind bereits geschafft. Seit Oktober vergangenen Jahres aber ruhen die Arbeiten, nachdem offene Rechnungen in Höhe von 27 Millionen Euro nicht bezahlt worden waren.
Dass die Signal Iduna, die in der Hamburger City Nord neu gebaut hat und am alten Standort in der Innenstadt am Bahnhof Dammtor für 350 Millionen Euro den Signal Iduna-Campus plant, mit frischem Geld beim Elbtower einspringt, schloss Leitermann aus. In Hamburg gebe es genügend vermögende Investoren und potente Entwickler, die sicherlich verhindern würden, dass das Prestigeprojekt als Bauruine „Kurzer Olaf“ endet. „Aber muss ich dabei sein? Nein!“