28.10.2019 Recht | Ratgeber

Unfallversicherung: Über die Rückforderung von Invaliditätsleistungen

Versicherungsleistungen im Zuge einer Invalidität können zurückgefordert werden. Allerdings darf die Rückforderung nicht gegen den Grundsatz der Leistung nach Treu und Glauben verstoßen, stellt VP-Experte Dr. Markus Weyer in seinem Urteilskommentar fest.

Beschlagen im Versicherungsrecht: Dr. Markus Weyer von der Berliner Kanzlei Weyer Rechtsanwaltsgesellschaft (www.weyerlegal.com).
Beschlagen im Versicherungsrecht: Dr. Markus Weyer von der Berliner Kanzlei Weyer Rechtsanwaltsgesellschaft (www.weyerlegal.com).

Die Fragestellung.

In der privaten Unfallversicherung sind sowohl der Versicherer (VR) als auch der Versicherungsnehmer (VN) berechtigt, den Grad von Invaliditätsleistungen neu bemessen zu lassen (§ 188 VVG). Kann der VR aber Invaliditätsleistungen wieder zurückfordern, wenn er sich die Neubemessung nicht vorbehalten hat?

Der Fall.

Der VN besitzt eine private Unfallversicherung. 2006 erlitt er eine unfallbedingte subdurale Gehirnblutung, wegen der er eine Invaliditätsleistung beanspruchte. 2009 sandte der VR dem VN ein Schreiben, in dem er auf der Grundlage eines Abschlussgutachtens eine Beeinträchtigung von 50 Prozent bestätigte und eine Leistung von 51.000 Euro auszahlte. Bald darauf verlangte der VN aber weitergehende Leistungen. Die Invalidität sei jetzt mit 75 Prozent zu bemessen. Gegen die darauf gerichtete Klage erhob der VR Widerklage über die Rückforderung von 46,5 Prozent der Invaliditätsleistung. Die Neubemessung habe ergeben, dass 2007 nur eine Invalidität von 3,5 Prozent bestanden habe.

Der Rechtsstreit.

Vor dem LG Frankfurt am Main (Az. 2-23 O 476/10) verlangte der VR vom VN Invaliditätsleistungen in Höhe von 49.215 Euro zurück. Das LG und auch das OLG Frankfurt am Main (Az. 3 U 47/15) wiesen die Forderung des VR ab. Er sei an seine Regulierung aus 2009 gebunden. Er habe es versäumt, sich bei Abgabe seiner Erklärung eine Neubemessung nach den AUB 1999 (Allgemeine Unfall-Versicherungsbedingungen) vorzubehalten.

Das Urteil.

Der BGH bestätigte die Entscheidung (AZ. IV ZR 20/18). Allerdings war der Rückforderungsanspruch nicht deswegen ausgeschlossen, weil der VR 2009 nicht das Recht auf Neubemessung der Invalidität hatte. In der Erklärung des VR fehlte zwar solch eine Regelung zur erstmaligen Bemessung der Invaliditätsleistung. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der VR an diese Erklärung gebunden ist. Dem Rückforderungsverlangen des VR steht aber dann der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen, wenn der VR in seiner Erklärung wie hier den Eindruck erweckt, die Höhe der vertraglich geschuldeten Leistung endgültig klären zu wollen.

Der Ausblick

Bei Streitigkeiten über die Höhe der Invaliditätsleistung sollten VN sich daher genau den Inhalt der Erstregulierung des VR ansehen. Hier kommt es auf den konkreten Inhalt des Regulierungsschreibens an. Der BGH wies darauf hin, dass sein Urteil auch nicht in Widerspruch zu seiner bisherigen Rechtsprechung steht (Az. IV ZR 222/74), denn der hier entscheidende Einwand der unzulässigen Rechtsausübung war nicht Gegenstand der damaligen Entscheidung.


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