14.05.2021 Sparten/Produkte

BU-Streit und kein Ende

Die Antrags- und Leistungsbearbeitung der Berufsunfähigkeitsversicherer bei Covid-19-Fällen erhält in einer Befragung der Unternehmensberatung PremiumCircle ein schlechtes Zeugnis. Gegenwehr kommt aber nicht direkt von den Versicherern, sondern von einem Vermittler-Verband.

Wie klar ist die Leistungspflicht im Zuge einer Corona-bedingten Berufsunfähigkeit geregelt? Das ist einer der Kernpunkte der Auseinandersetzung. (Foto: uniVersa)
Wie klar ist die Leistungspflicht im Zuge einer Corona-bedingten Berufsunfähigkeit geregelt? Das ist einer der Kernpunkte der Auseinandersetzung.
(Foto: uniVersa)

Wie wirkt sich Covid-19 auf das Antrags- und Leistungsverhalten von Versicherern beim Thema Berufsunfähigkeit (BU) aus? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer Umfrage der Unternehmensberatung PremiumCircle Deutschland, über die auch  „Welt am Sonntag“ und „Handelsblatt“ berichteten. Kernaussage der Erhebung: Das Risiko einer Leistungsablehnung ist durch Corona gestiegen. Damit wurde eine Lawine losgetreten, in der sich Studienmacher und Kritiker im Ping-Pong-Stil aufeinander einschossen. Doch der Reihe nach:

Studie versteht sich als Qualitäts- und Transparenzinitiative für die BU

 

Bereits seit 2016 führt die PremiumCircle Deutschland GmbH eine sogenannte „Qualitäts- und Transparenzinitiative zur Berufsunfähigkeitsversicherung“ (QTI) durch. Die Erhebungen zum unternehmensindividuellen Leistungsverhalten hätten dabei bereits in den Jahren 2016 und 2018 deutlich aufgezeigt, dass es trotz im Kern weitgehend gleicher (unverbindlicher) AVB zu signifikanten Abweichungen im Leistungsverhalten der einzelnen Versicherer kommt. Damit Verbraucher und Vermittler nun die differenzierten Auswirkungen der neuen Krankheit COVID-19 auf die Antrags- und Leistungsprozesse der BU einschätzen können, nahmen die Studienmacher dieses Thema für die QTI 2021 in den Blick. 59 Berufsunfähigkeitsversicherer und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erhielten dafür einen Erhebungsbogen mit 97 Fragen.

Scharfe Kritik an Versicherern wegen pauschaler Gesundheitsfragen

 

Das Studienfazit war aus Kundensicht verheerend: Es zeigt sich laut PremiumCircle erneut eine erhebliche Varianz der Versicherer im Umgang mit den durch Covid-19 neu hinzugekommenen Herausforderungen. Zwar schreibe der GDV auf seiner Homepage: „Sowohl beim Abschluss von Berufsunfähigkeitsversicherungen als auch bei der Leistungsprüfung gelten für Kunden mit einer Corona-Infektion die ganz normalen Regeln.“ Diese Aussage sei aber irreführend. Im Antragsprozess gebe es derzeit keine spezifizierten, verständlichen und transparenten Gesundheitsfragen im Zusammenhang mit Covid-19. Stattdessen erhöhten die unternehmensindividuelle Auslegung, Einschätzung und Bewertung auf Basis pauschaler Gesundheitsfragen das Risiko einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung für interessierte Kunden und Vermittler teilweise erheblich.

Im Leistungsfall wiederum führe die Fülle von unverbindlichen Formulierungen und unbestimmten Begriffen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen dazu, dass es auch für die Auswirkungen von Covid-19 im Leistungsprozess keine einheitlichen und verbindlichen Leitplanken gebe. „Das Ergebnis der Leistungsprüfung ist weiterhin eine unternehmensindividuelle und einzelfallabhängige Blackbox. Das Risiko einer Leistungsablehnung ist durch COVID-19 teilweise deutlich erhöht“, heißt es in der Studie.

Interessenvertretung der Vermittler spricht von Falschaussagen

 

Der Return ließ nicht lange auf sich warten. Vergangene Woche reagierte der Verein Zukunft für Finanzberatung (ZfF). Der 2018 gegründete Zusammenschluss verschiedener Branchenakteure, vor allem Maklerunternehmen, veröffentlichte eine Stellungnahme mit dem unmissverständlichen Titel: „Klarstellung zu Falschaussagen über das Absicherungsniveau von Berufsunfähigkeitsversicherungen.“ Darin werden PremiumCircle unter anderem „populistische Schlüsse aus unzureichender Datenlage“ vorgeworfen. Bemängelt wird, dass sich nur sieben und damit knapp zwölf Prozent der 59 angefragten Versicherer beteiligt hätten und diese nach ZfF-Informationen die Fragebögen zum Teil auch nicht umfassend beantwortet hätten. „Deshalb einen kausalen Zusammenhang für den Gesamtmarkt der Versicherungsunternehmen herzustellen, entbehrt nach unserem Dafürhalten als Vertreter der Versicherungsvermittler einer fundierten Grundlage.“ Vielmehr fehle es an Erfahrungswerten in den Leistungsabteilungen zum Thema Covid-19.

Kein Leistungsausschluss bei Reisen in Risikogebiete und Home-Office

 

Zu konkreten Leistungsausschlüssen, die in der Studie genannt wurden, bezieht der ZfF ebenfalls Position. Reisen in Risikogebiete ließen demnach keine oder bei Kriegsereignissen eine Leistungsverweigerung zu. Das gehe aus den Versicherungsbedingungen der beteiligten Unternehmen hervor. Die Informationen zu einer möglichen Ablehnung von Leistungen bei Haltungsschäden durch die Arbeit im Homeoffice sind laut Verein irreführend. Ein Versicherer werde hier bei der Leistungsprüfung auf die konkret ausgeübte Tätigkeit abstellen, wie sie regelmäßig auch vor der Corona-Pandemie ausgeübt wurde, da der Wechsel ins Home-Office in der Regel nicht freiwillig stattfand. Selbstverständlich seien Haltungsschäden aufgrund der beruflichen Tätigkeit grundsätzlich mitversichert.

Als Fazit erkennt der Verein zwar an, dass die Herausforderungen in der Leistungsfallentscheidung durch die Pandemie nicht kleiner geworden sind. Die über viele Jahre weiterentwickelten Bedingungswerke der Versicherer ermöglichten aber eine gerechte Leistungsentscheidung für den Einzelnen.

Studienmacher verteidigen ihre Arbeit

 

Nur einen Tag später waren wieder die Unternehmensberater von PremiumCircle am Zug. In einer Stellungnahme wiesen sie die Behauptungen des ZfF zurück. Diese seien ohne Einsicht in die Studie und ohne Kenntnis der konkreten Studienergebnisse aufgestellt worden. Zum Vorwurf der geringen Beteiligung stellte PremiumCircle lediglich fest: „Die ‚Welt am Sonntag’ hat die Teilnehmerquote mit sieben von 59 teilnehmenden BU-Versicherern im Artikel erwähnt, sodass sich jeder Leser sein eigenes Bild davon machen kann, ob diese Teilnahmequote eine statistische Aussagekraft hat.“ Ziel der Studie sei, der Branche einen ersten Überblick zu verschaffen.

Ohnehin verwiesen die Studienmacher wiederholt auf die Print-Berichterstattung. So sei vom ZfF unterschlagen worden, dass die „Welt am Sonntag“ den Fall des Leistungsausschlusses bei einer Reise in ein Risikogebiet zutreffend als „Extrembeispiel“ wiedergegeben und als „vor Gericht kaum haltbar“ bezeichnet habe. Zum Thema Homeoffice hätten zwei BU-Versicherer Angaben gemacht, wonach pandemiebedingtes Homeoffice im Leistungsfall Auswirkungen auf die Ermittlung des Profils der zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit habe. Konkret nach den vom ZfF erwähnten Haltungsschäden sei aber gar nicht gefragt worden.


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