Das schwierige Geschäft mit den Cyberversicherungen
Nach Beobachtung des digitalen Vermittlers Cyberdirekt passen derzeit viele Cyberversicherer ihre Bedingungswerke an. Für die eigene Berufsgruppe würden sich hieraus Vertriebschancen ergeben. Die längerfristigen Trends zeichnen ein anderes Bild: unkalkulierbare Risiken, Preiserhöhungen und fehlende Angebote für KMU.
Der Online-Vermittler Cyberdirekt rechnet aufgrund der Schadenentwicklung in den vergangenen Jahren vorerst nicht mit einer Entspannung des Anforderungsniveaus bei Cyberversicherungen. Der Markt habe sich allerdings im Vergleich zu den beiden Vorjahren gefestigt, schreibt das Unternehmen seinem aktuellen „Marktausblick“.
Versicherer nehmen Risikoanpassungen vor
„Gerade jetzt, wo die Phase vieler Vertragsverlängerungen der Cyber-Versicherungspolicen ansteht, beobachten wir teils starke Veränderungen im Produkt, auch wenn das Preisniveau eine leichte Tendenz nach oben aufzeigt“, sagt Björn Blender, Leiter Maklervertrieb bei der Cyberdirekt GmbH. Im Gegensatz zum Vorjahr sei den Unternehmen 2022 noch keine kritische Sicherheitslücke begegnet. Es seien eher die kleineren Exploits, die jedoch die Anfälligkeit aller gängigen Betriebssysteme wie Apple, Linux und Microsoft aufzeigten. „Einige Cyberversicherer sehen sich aktuell trotzdem gezwungen, aktiv Riskoanpassungen an ihrem Portfolio vorzunehmen. Aufgrund der dynamischen Angriffsvektoren wächst vor allem das Informationsbedürfnis hinsichtlich Mindestanforderungen in der IT-Sicherheit, wie eine Multifaktor-Authentifizierung oder die Schulung der Mitarbeitenden“, so Blender. Außerdem versuchten die Versicherer, die Anpassung bestimmter Formulierungen in den Obliegenheiten, zum Beispiel zum Einspielen von Patches, durchzusetzen.
Cyberdirekt gibt Vertriebstipps
Der Plattformbetreiber Cyberdirekt betont aufgrund der aus seiner Sicht noch geringen Verbreitung und Akzeptanz von Cyberpolicen vor allem deren Vertriebschancen. So sei die jährliche Vertragsverlängerung bisher in der Regel ein Fortschreiben bestehender Verträge gewesen. „Dies wird aufgrund der Weiterentwicklung der Cybertarife in Zukunft nicht mehr unbedingt der Fall sein“ so Blender. Er rät Vermittlern proaktiv zu handeln und sich schon vorab einen Marktüberblick zu verschaffen. Um mögliche Überraschungseffekte und Druck bei der Umsetzung neuer Anforderungen zu vermeiden, sollten Makler rechtzeitig prüfen, wie sich der Tarif des jeweiligen Versicherers entwickelt. Die Mehrwerte einer Cyberversicherung als Teil des ganzheitlichen Risikomanagements sind nach Benders Auffassung jedenfalls nach wie vor unbestritten. Eine positive Entwicklung sei, dass erstmals auch die Versicherungsnehmer Veränderungsbedarf sehen und ihre Vermittler derzeit immer häufiger mit einer Neueindeckung beauftragen.
Cyberrisiken sind kaum noch versicherbar
Doch bei dieser Darstellung unterschlägt Cyberdirekt die enormen Probleme, die Versicherer wie Kunden mit dem Produkt haben. Der Plattformbetreiber veröffentlichte im April eine Studie, in der die mangelhafte Deckung gerade kleiner und mittlerer Unternehmen und damit der eigenen Zielgruppe bemängelt wurde. Dass 70 Prozent der mittelständischen Unternehmen sich laut der Studie, was den eigenen Betrieb angeht, gar nicht bedroht fühlen, nannte Cyberdirekt damals „trügerisch“. Doch sind es vor allem Mittelständler, die wegen ihrer verbesserungswürdigen Informationssicherheit häufig keine passenden Angebote mehr bekommen. Drastisch zunehmende Schadenquoten führten bereits während der Corona-Pandemie zu massiv steigenden Prämien und hohen Selbstbehalten. Zudem ist immer wieder unklar, ob und wie weit konventionelle Sach- oder Haftpflichtpolicen auch Cyberrisiken abdecken.
Ausschlüsse prägen das Bild des Produkts
Hinzu kommt eine Diskussion über Ausschlüsse wegen unkalkulierbarer Risiken, die das Vertrauen in das Produkt nicht unbedingt gestärkt haben dürfte. Schon zu Beginn des Ukraine-Krieges warfen die Versicherer die Frage auf, ob Cyberangriffe durch staatliche Hacker aus Russland unter den Kriegsausschluss der Produkte fallen. Auch wird derzeit bezweifelt, ob die Anbieter für Lösegeldforderungen der Hacker geradestehen, wenn die Profiteure möglicherweise unter die westlichen Sanktionen fallen. Dabei beschwören unzählige Branchenakteure, unter ihnen auch staatliche Behörden wie die BaFin, in den vergangenen Monaten des Krieges die wachsende Bedrohungslage. Studien zeigen, dass die hohe Risikoeinschätzung in den Unternehmen, zumindest mit Blick auf die Gesamtwirtschaft, durchaus angekommen ist. Das Problem ist nur, dass die Cyberversicherung dafür allzu oft keine ausreichende Lösung verspricht.