ETF-Sparplan ersetzt keine BU
Viele Erwerbstätige glauben, sie könnten sich die Berufsunfähigkeitsversicherung sparen, wenn sie in einen ETF-Sparplan investieren. Warum diese in den sozialen Medien häufig propagierte Strategie brandgefährlich ist und was im Ernstfall wirklich zählt, erläutert unser Kolumnist Bastian Kunkel.

(Foto: Artur Derr)
Wirklich: Ich mag ETFs. Ich predige selbst regelmäßig, wie wichtig ein langfristiger Vermögensaufbau ist – gerade für die junge Generation. Exchange Traded Funds sind dafür hervorragend geeignet. Die börsengehandelten Indexfonds bieten die Chance, mit einem Wertpapier zu geringen Kosten breit in ganze Märkte zu investieren. Aber es gibt einen gefährlichen Trend, der sich in den letzten Jahren durch Instagram, TikTok und manche Finfluencer-Blase zieht: die Idee, ein ETF-Sparplan könne eine Berufsunfähigkeitsversicherung ersetzen. Ganz ehrlich: Das ist nicht nur naiv, das ist brandgefährlich.
Im Ernstfall reicht das Geld nicht
Wer glaubt, sich mit ein paar Hundert Euro monatlich an der Börse gegen einen plötzlichen und womöglich dauerhaften Einkommensverlust absichern zu können, verkennt die Realität. Es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen Risikoabsicherung (BU-Versicherung) und Vermögensaufbau (ETF-Sparplan), den jeder verstehen muss. Zugegeben – der Gedanke erscheint bestechend: „Ich zahle in meinen ETF-Sparplan ein und baue mein eigenes Vermögen auf. Wenn ich berufsunfähig werde, greife ich darauf zurück.“
Klingt erst mal logisch. Das funktioniert aber nur, wenn du nie berufsunfähig wirst. Oder frühestens in 30 Jahren. Aber was, wenn du mit 32 einen Unfall hast? Mit 38 an Krebs erkrankst? Mit 45 durch Burnout ausfällst?
Ein Plan, der nur in der Theorie funktioniert
Fakt ist: Rund jeder vierte Arbeitnehmer in Deutschland wird im Laufe seines Erwerbslebens mindestens einmal berufsunfähig. Ursache sind nicht nur die Erkrankungen des Bewegungs- und Skelettapparates, die erst mit zunehmendem Alter auftreten. Häufigster Leistungsauslöser einer Berufsunfähigkeit sind psychische Erkrankungen, die vermehrt auch junge Menschen treffen. In dieser Notlage hilft dir kein ETF-Depot, das vielleicht gerade einmal 20.000 Euro enthält. Das ist keine Absicherung – das ist Selbsttäuschung.
ETF statt BU ist keine Option, sondern ein Risiko für die gesamte Finanzplanung
Tatsächlich rechnen sich viele Sparer die Sache schön: „Wenn ich jeden Monat 200 Euro in ETFs investiere, habe ich in 20 Jahren bei fünf Prozent Rendite über 80.000 Euro.“ Ja, wenn alles glatt läuft. Und genau hier liegt das Problem: Berufsunfähigkeit kommt nicht, wenn du dafür bereit bist. Sie kommt plötzlich. Sie ist teuer. Und sie kann deine gesamte finanzielle Planung mit einem Schlag über den Haufen werfen.
Denn von was lebst du dann? Vom Notgroschen? Vom Verkauf deiner ETF-Anteile zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt? Und was ist mit deiner Altersvorsorge, wenn du dein Depot dafür vorzeitig plündern musst?
Hier gibt es kein Entweder-oder
Ein ETF-Sparplan ist Vermögensaufbau. Eine BU ist Einkommensabsicherung. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Die BU zahlt dir – wenn du sie richtig abgeschlossen hast – Monat für Monat eine verlässliche Rente, wenn du wegen Krankheit oder Unfall deinen Beruf nicht mehr ausüben kannst. Sie ist dein finanzielles Sicherheitsnetz. Der ETF ist dein Hochseil. Und wir sprechen hier nicht von entweder oder. Du kannst und solltest tunlichst beides machen.
Wissen schützt vor falscher Sicherheit
Was mich wirklich nervt: diese gefährliche Vereinfachung in Social Media. „Berufsunfähigkeit ist teuer, ETFs bringen mehr, also spar dir die Versicherung.“ Sorry, aber das ist kein seriöser Rat – das ist Falschinformation.
Wir erleben das täglich in unserer Beratung: Viele Menschen wissen einfach nicht, was es wirklich heißt, berufsunfähig zu werden. Dass der Staat dir nur wenig hilft. Dass die gesetzliche Erwerbsminderungsrente nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Und dass man nicht mit einem Bein im Grab stehen muss, damit die Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt.
Fazit: Absichern kommt vor Investieren
Ein ETF-Sparplan ist eine tolle Sache – für den Vermögensaufbau. Aber er ersetzt niemals die existenzielle Sicherheit, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung dir bieten kann. Wer heute jung, gesund und leistungsfähig ist, sollte genau jetzt handeln. Denn je länger du wartest, desto teurer wird es – oder du bekommst vielleicht gar keinen Schutz mehr. Mein Appell: Lass dir von niemandem einreden, du könntest auf eine BU verzichten, wenn du clever investierst. Das hat nichts mit clever zu tun. Das ist ein Risiko, das du dir nicht leisten kannst.
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