Neue Ordnung auf dem Spielfeld dank Generativer KI
Mehr Tempo, mehr Service, mehr Innovation versus Jobverlust, Datenmissbrauch und Cybercrime: KI ist auch in der Assekuranz Top-Thema. In unserer Kolumne PROMPT! beziehen Experten und Entscheider Stellung. Heute: Georgina Neitzel, Leiterin des Innovation Lab der ERGO Group AG.

(Foto: www.gatonia.de/Adobe Firefly)
Als ChatGPT vor drei Jahren an den Start ging, fragten sich viele: Hype oder Paradigmenwechsel? Heute ist die Antwort klar. Der Dienst verzeichnet inzwischen 29.000 Anfragen pro Sekunde und hat mehr als 800 Millionen wöchentliche Nutzer. Sowohl Unternehmen als auch Kundinnen und Kunden nutzen Sprachmodelle (LLMs) für Recherche, Vergleiche und zur Entscheidungsvorbereitung. Sie sind somit zu einem zentralen Akteur im Markt geworden, der Kundenverhalten sowie unternehmerische Arbeitsweisen und Marktmechaniken nachhaltig prägt.
Völlig neue Kundenreise
Dass GenAI in der Lage ist, menschliche Sprache zu verstehen und zu generieren, ermöglicht Unternehmen völlig neue Wege entlang der Customer Journey, in ihren Prozessen und Services. Für Kundinnen und Kunden liegt die bahnbrechende Kraft der Technologie insbesondere darin, wie sie auf Informationen zugreifen, diese bewerten und für Entscheidungen nutzen können – etwa bei Kaufprozessen oder Vertragsvergleichen. Produktrecherchen werden dialogbasiert und individueller als jede Internet-Suche zuvor. Vertrags- und Angebotsvergleiche dauern nun Sekunden statt Stunden.
AI Agents gehen sogar noch einen Schritt weiter: Die autonom agierenden KI-Programme filtern, bewerten und treffen Vorauswahlen. Sie beeinflussen damit, welche Optionen Verbraucher überhaupt noch sehen – wer als Unternehmen also noch im „Relevant Set“ ist.
Die Logik von morgen
Für Innovationseinheiten entsteht damit eine neue Komplexität: GenAI verändert nicht einzelne Touchpoints, sondern wirkt ganzheitlich: Neue Akteure wie Agents etablieren sich, neue Mechaniken entstehen, das gesamte Spielfeld ordnet sich neu. Doch viele Unternehmen interpretieren diesen Paradigmenwechsel noch als einfachen Trend und übersehen die langfristigen Folgewirkungen. Ihre Entscheidungen treffen sie deshalb noch mit der Logik von gestern – und nicht mit der von morgen.
Drei zentrale Aufgaben
Damit Unternehmen das nicht passiert, gibt es drei zentrale Aufgaben für sie: Erkennen, messen, priorisieren. Erkennen bedeutet, systemische Marktverschiebungen zu identifizieren. Wo entstehen neue Marktakteure, etwa LLMs oder Agents, die bestehende Strukturen verändern? Wo werden bisherige Mechaniken durch grundlegend andere ersetzt, wie dialogbasierte Suche statt Klicks oder automatisierte Vergleiche statt manueller Recherche?
Beim Messen geht es darum, die neuen Maßstäbe zu erkennen, die GenAI setzt etwa in puncto Bequemlichkeit, Klarheit und Geschwindigkeit. Wenn ein KI-Agent Einkäufe im Hintergrund erledigen kann, wirkt ein mehrstufiger Einkaufsprozess überholt. Was ist also die neue Benchmark? Diese gilt es umzusetzen, um nicht an Relevanz zu verlieren.
Und schließlich das Priorisieren: Unternehmen müssen zunächst dort innovieren, wo die größte Lücke zwischen Erwartung und Realität klafft. Kundenerwartungen haben sich mit dem Aufkommen großer Sprachmodelle fundamental geändert. Kundinnen und Kunden kommen informierter ins Gespräch, vergleichen komplexe Angebote in Sekunden und erwarten Antworten ohne Wartezeiten. Diese Verschiebungen im Verhalten gilt es zu antizipieren, um Ressourcen entsprechend zu steuern. Fest steht: Mit GenAI hat die Welt einen Sprung nach vorn gemacht – springen Sie mit.
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