Unfallforscher: So wird der Radverkehr sicherer
Zum Verkehrsgerichtstag hat der GDV Ideen präsentiert, die die Sicherheit von Radfahrern erhöhen sollen. Im Visier hat der Verband die aus seiner Sicht besonders unfallträchtigen Pedelecs und fordert viele neue Regulierungen. Manche erscheinen wenig praxistauglich.
Diese Woche fand in Goslar der 60. Verkehrsgerichtstag statt. In acht Arbeitskreisen diskutierten Experten über die Zukunft des Verkehrsrechts. Themen, die auch die Versicherungswirtschaft betreffen. Dazu zählt zum Beispiel der Umgang mit Radverkehrsunfällen. Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat nun aus Anlass des Verkehrsgerichtstags mehrere Vorschläge präsentiert, die den Radverkehr aus ihrer Sicht sicherer machen könnten.
Grundstückszufahrten sicherer gestalten
Die erste Forderung betrifft die Einfahrten von Firmengeländen, Tankstellen, Supermarkt-Parkplätzen und Parkhäusern. Sie seien für Fahrradfahrer besonders gefährlich. „Fast jeder fünfte Unfall zwischen einem Radfahrer und einem Pkw und fast jeder siebte Unfall mit schwerverletzten oder getöteten Radfahrern passiert an einer solchen Grundstückszufahrt“, sagte der Leiter der UDV, Siegfried Brockmann. Er sprach sich dafür aus, diese Zufahrten besser auszustatten. „Die Kommunen stellen bisher in aller Regel keine Anforderungen an die Grundstückszufahrt, dabei könnten sie die Eigentümer verpflichten, die Zufahrten verkehrssicher zu gestalten“, so Brockmann. Je nach Frequenz und Lage könnten für die Zufahrten freie Sichtachsen, das Anbringen von Spiegeln oder sogar die Installation einer Ampel vorgeschrieben werden.
Assistenzsysteme zur Verhinderung von „Dooring“-Unfällen nutzen
Gerade in Großstädten kommt es laut UDV immer wieder zu Kollisionen und schweren Verletzungen von Radfahrern, wenn Autofahrer ihre Tür unachtsam öffnen. Verhindert werden könnten diese sogenannten „Dooring“-Unfälle durch einen einfachen Schulterblick, den viele Autofahrer allerdings vor dem Öffnen ihrer Tür vergessen. Abhilfe schaffen könnten in solchen Fällen die in vielen neueren Fahrzeugen verbauten Totwinkelwarner. „Dafür müssten die Systeme so eingestellt werden, dass sie bis zum Aussteigen der Passagiere aktiv bleiben und den Fahrer sowohl optisch als auch akustisch warnen, wenn sich ein Radfahrer nähert“, sagte Brockmann. Noch sicherer sei es, wenn das System in einem solchen Fall für kurze Zeit die Autotür blockieren würde.
Maximalmaße und -gewicht für Pedelecs festlegen
Einen besonderen Fokus legt der Interessenverband auf Pedelecs, die er als besonders unfallträchtig ansieht. Sie werden mit Tretunterstützung bis 25 Kilometer pro Stunde bewegt, gelten in Deutschland als Fahrrad und dürfen überall dort fahren und stehen, wo Fahrräder zugelassen sind. Begrenzungen für die maximale Breite, Länge, Höhe oder Gewicht gibt es nicht. Brockmann: „Angesichts der explosionsartigen Verbreitung von Lastenfahrrädern, Anhängern und diversen Um-, An- und Aufbauten sehen wir auf den Straßen immer längere, breitere und schwerere Pedelecs, deren Dimensionen und Risiken mit denen eines herkömmlichen Fahrrads nichts mehr zu tun haben.“ Dadurch ergäben sich Probleme sowohl bei der Fahrt als auch beim Abstellen solcher Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr. Die UDV fordert daher, Vorgaben für die maximalen Maße und das maximale Gewicht eines Pedelecs festzulegen.
Pedelecs an die Leistungsfähigkeit der Fahrer anpassen
Angesichts der laut UDV stark steigenden Unfallzahlen mit Pedelecs sehen die Unfallforscher der Versicherer weiteren Handlungsbedarf: „Grundsätzlich sollten Pedelecs bei einem Fachhändler gekauft werden, der über die Vor- und Nachteile von Front-, Heck- und Mittelmotor informiert, also seine Kunden fachkundig beraten und nach einem Kauf auch fachkundig in den Gebrauch des Pedelecs einweisen kann“, sagte Brockmann. Gerade für Senioren, die aus eigener Muskelkraft eine Geschwindigkeit von 25 Kilometer pro Stunde auf dem Fahrrad nicht mehr erreichen können, empfiehlt er zudem ein Fahrsicherheitstraining mit dem neuen Pedelec.
Noch besser sei es jedoch, wenn sich die Tretunterstützung an der Muskelkraft des Fahrers orientieren würde: „Aktuell erreicht jeder Fahrer auch mit geringstem Krafteinsatz die Höchstgeschwindigkeit von 25 Kilometer pro Stunde. Mit Hilfe des schon vorhandenen Drehmomentsensors könnten Pedelecs aber auch so eingestellt werden, dass weniger kräftige Fahrer nicht mehr 25 Kilometer pro Stunde, sondern nur noch die Geschwindigkeit erreichen, die sie mit dieser Kraft auch auf einem normalen Fahrrad geschafft hätten. Sie könnten dank des Motors weiterhin ermüdungsfrei und auch bergauf fahren, während gleichzeitig das Risiko schwerer Verletzungen nach einem Unfall deutlich reduziert wäre“, so Brockmann.